Das Gift ist überall

Das NRW-Umweltministerium gibt zu, über die Folgen von giftigen Chemikalien in Trinkwasser und Böden wenig zu wissen. Jetzt sind offenbar auch Felder in Hessen und Niedersachsen belastet

VON GESA SCHÖLGENS

Der Skandal um schädliche perfluorierte Tenside (PFT) in Gewässern und Böden weitet sich aus. Nach Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg sind bis zu 1.000 Felder in NRW, Hessen und Niedersachsen mit einem möglicherweise PFT-belasteten Düngemittel bearbeitet worden.

Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) informierte sich gestern im Sauerland über die Belastung. „Wir alle betreten hier Neuland und haben bisher kaum Erkenntnisse über die Substanz, auf die wir zurückgreifen könnten“, sagte Uhlenberg beim Besuch der betroffenen Stadt Arnsberg. Das Vorkommen der Chemikalie im Trinkwasser sei für alle Fachleute eine „Überraschung“ gewesen. Die Staatsanwaltschaft ermittle gegen die Düngerfirma GW Umwelt bei Paderborn, die den Dünger in Umlauf gebracht haben soll.

PFT war im Mai zuerst in der oberen Ruhr und Möhne, dann in Trinkwasser und Böden im Hochsauerlandkreis und im Kreis Soest gefunden worden. Möglicherweise seien weitere Flächen in Westfalen, im Paderborner Land und im Raum Detmold belastet, sagte Uhlenberg. Im münsterländischen Kreis Warendorf sind vermutlich 67 Hektar betroffen. Unklar ist, ob der unter dem Namen „Terrafarm“ vertriebene Dünger in jedem Fall die Chemikalie enthielt.

Die Tenside, die etwa zur Teflon-Herstellung genutzt werden, sollen Krebs erregen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Wie lange das Trinkwasser bereits belastet ist, ist unklar. In Arnsberg wird es nun aufwändig mit Aktivkohlefiltern gereinigt. Auch entlang der Ruhr setzen die Wasserwerke Westfalen vorbeugend Aktivkohle ein. Geplant sei zudem ein Gewässer-Monitoring mit dem Ruhrverband, sagte Geschäftsführer Helmut Sommer. „Wichtiger ist aber, das Problem an der Quelle zu lösen.“

Weil Erkenntnisse über PFT fehlen, hat das Umweltministerium auf Rat der Trinkwasserkommission des Bundes Blutuntersuchungen in Auftrag gegeben. Von September an werden 80 Schulanfänger und 160 Mütter in Arnsberg untersucht. Die Studie soll zeigen, ob die PFT-Konzentration bei Menschen höher ist, die belastetes Wasser getrunken haben. „Nur so lassen sich später Gesundheitsschäden damit in Verbindung bringen“, erklärt Hermann Dieter, Trinkwassertoxikologe im Umweltbundesamt. Ergebnisse liegen Anfang 2007 vor. Dann will das Ministerium weitere Schritte bekannt geben.

Es gibt jedoch Zweifel am Sinn der Studie. „Meines Wissens gibt es kein Mittel, um PFT wieder aus dem Körper herauszuholen. Uhlenberg sollte besser nach dem Verursacher suchen“, kritisierte Matthias Schulte-Huermann, grünes Kreistagsmitglied im Hochsauerland. Die Kompostieranlagen im Hochsauerland seien bisher nicht geprüft worden. Arnsbergs Bürgermeister Hans-Josef Vogel (CDU) forderte zudem von Uhlenberg ein Sanierungskonzept für die betroffenen Felder. Notfalls müssten die Böden abgetragen werden.