Minimalkonsens: Alle sind gegen den Krieg

Vertreter arabischer, jüdischer und deutscher Vereine rufen zu einer gemeinsamen Demo auf – ein Bündnis schließen können sie jedoch nicht

Mehr als 90 Mitglieder verschiedener Berliner Organisationen kamen am Mittwochabend auf Initiative der „Achse des Friedens“ zusammen, um gemeinsame Friedensaktionen gegen den Krieg im Libanon und in Israel zu planen. Damit wollen die Veranstalter Druck auf die deutsche Regierung ausüben und einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen im Nahen Osten fordern.

Für die Friedensaktion sollen in erster Linie aber auch jene mobilisiert werden, die sich von den bisherigen, mitunter etwas aufgeheizten Kundgebungen abschrecken ließen. Den Auftakt soll eine breite Friedensdemonstration am 12. August bilden. Der Veranstaltungsort sowie die Uhrzeit stehen bisher noch nicht fest. In einer kleineren Arbeitsgruppe soll morgen ein „Minimalkonsens“ schriftlich verfasst und vorgestellt werden.

Zum ursprünglich geplanten gemeinsamen Bündnis kam es allerdings nicht. Zu heterogen waren die Vorstellungen der jeweiligen Vertreter arabischer Vereine, linker Splittergruppen, der Friedensbewegung und der „Jüdischen Stimme“. Ein Bündnis sei „zu verfrüht“, meinte vor allem die arabische Seite.

Die Spannung der unterschiedlichen Interessen und Zielformulierungen, die an diesem Abend aufeinanderprallten, war förmlich zu spüren. Schnell wurde die Stimme gehoben, durcheinander gerufen und vor allem jüngere Mitstreiter verschreckt. Etwa ein Viertel der Teilnehmer verließ vorzeitig die Veranstaltung – enttäuscht von der destruktiven Gesprächsführung vieler Redner. Immer wieder musste die Moderatorin des Abends, Rim Farha – selbst syrische Kurdin und Mitglied der Linkspartei – einschreiten und die Anwesenden an das Ziel ihrer Zusammenkunft erinnern.

Denn jede Gruppe nutzte vorrangig die Gelegenheit, ihre politischen Überzeugungen zu erläutern und Gegenentwürfe zu kritisieren oder gar zu beschimpfen. Die Veranstaltung drohte im unruhigen Meer der Detailvorstellungen und politischen Selbstdarstellungen unterzugehen.

„Ich bin schon enttäuscht, dass es zu keiner gemeinsamen Resolution gekommen ist“, sagte Hans-Peter Richter, Vorsitzender der Achse des Friedens und Hauptorganisator des Abends. „Vielleicht ist es dafür wirklich noch zu früh.“ Richter, der sich schon seit Jahrzehnten in der deutschen Friedensbewegung engagiert, ist derartige Turbulenzen nach eigenen Angaben jedoch gewöhnt. Ihm gehe es nun vor allem darum, mit den geplanten Aktionen „den Krieg mit den Mitteln, die wir hier in Deutschland haben, zu stoppen.“

Fanny-Michaela Reisin, Vorsitzende der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten“, hielt lange an der Idee eines konstruktiven Bündnisses fest. Sie stellte kurzfristig aufgrund des harschen Tonfalls der Diskussion sogar in Frage, ob sie „überhaupt auf der richtigen Veranstaltung“ sei. Auch ihr war letztlich aber der minimale gemeinsame Nenner einer „Aktionseinheit“ lieber als die Aufgabe der Idee einer breiten Friedensdemonstration. Alle Anwesenden zeigten im Laufe des Abends sich jedoch bereit, ein gemeinsames Bündnis in Diskussionen „weiter auszuloten“.

Der Vorsitzende des Dachverbands arabischer Vereine, Nabil Rachid, hatte bereits an den letzten beiden großen Demonstrationen in Berlin teilgenommen. Seine Familie lebt sowohl im Süden Libanons als auch in Nordisrael. Dem Mitglied der Linkspartei sei es ein besonderes Anliegen, möglichst viele Deutsche für eine Friedensbewegung zu mobilisieren. „Wo ist die Linke in Deutschland bei diesem Krieg?“, fragte er provozierend in die Runde. Selbst enttäuscht davon, dass ein Bündnis nicht zustande kommt, resümierte er den Abend dennoch optimistisch: „Wir haben viele Differenzen, aber wir haben auch Gemeinsamkeiten: Wir sind gegen Krieg. Dafür werden wir zusammenarbeiten!“ Eva Gnädig