Miami träumt vom Aufstand in Kuba

Während die stärkste Organisation von Exilkubanern zur „militärischen oder zivilen Erhebung“ gegen das Regime von Havanna aufruft, geht in Kuba das Leben seinen ruhigen Gang – und dem Patienten Fidel Castro geht es auch schon besser

VON KNUT HENKEL

Ruhig ist es in den Straßen der kubanischen Hauptstadt. „Alles geht seinen gewohnten Gang“, sagt Oscar am Telefon, ein privater Vermieter, der zwei Zimmer in der Nähe des Platzes der Revolution an Touristen vermietet. Dort befindet sich das Machtzentrum der Revolution, und dahin soll auf keinen Fall der Mann mit dem Bart zurückkehren, so Jorge Mas Santos. Der Präsident der Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung (CANF), der einflussreichsten kubanischen Exilorganisation der USA, hat die Kubaner zum Aufstand aufgerufen. Wer Kuba auf einen anderen Weg bringen wolle, solle die Krankheit Castros zu einem Umsturz nutzen. Dies könne eine „militärische oder auch zivile Erhebung“ sein, so Mas Santos am Mittwochabend in Miami.

Doch der Appell des CANF-Präsidenten blieb bisher diesseits und jenseits der Straße von Florida ohne Folgen. Und der Gesundheitszustand Fidel Castros scheint sich von Tag zu Tag zu verbessern. Gestern wurde der 79-Jährige laut Angaben seiner jüngsten – in Miami lebenden – Schwester Juanita von der Intensivstation auf eine normale Station verlegt. In Kuba wurde das allerdings nicht bestätigt, denn dort ist Castros Gesundheitszustand zum Staatsgeheimnis erklärt worden. In einer Erklärung vom Krankenbett hat Castro persönlich um Verständnis gebeten, weil der Erzfeind USA ständig auf der Lauer sei. Er sei bester Laune und erhole sich, hieß es im kubanischen Fernsehen.

Für die kubanische Dissidentin Tania Quintero ist das keine Überraschung. Die Journalistin hält wenig von der Hysterie in Miami und sieht in der Erkrankung Castros auch nicht unbedingt den Auftakt für einen Wechsel. „Ich denke, dass Fidel spätestens zum Auftakt des Gipfels der Blockfreien im September wieder auftauchen wird“, so die in Luzern lebende 62-Jährige. Und dann gehe es weiter wie gewohnt.

Auch die Dissidenten in Havanna sind skeptisch und lehnen Appelle zum Umsturz wie von Jorge Mas Santos genauso ab wie den Aufruf zum zivilen Widerstand des republikanischen Abgeordneten Lincoln Díaz-Balart. Das könne mehr schaden als nützen, so Oswaldo Payá vom Proyecto Varela gegenüber dem Miami Herald. Payá und das Proyecto Varela sammeln seit Jahren Unterschriften für ein Referendum über die politische Zukunft auf der Insel und haben auch einen detaillierten Plan für den friedlichen Übergang vorgestellt. Derartige Aufrufe aus Miami würden es den Machthabern in Kuba nur ermöglichen, auch weiterhin zu behaupten, dass die USA eine Invasion planen. Zu Ruhe und nationaler Versöhnung mahnen auch andere Dissidenten wie Vladimiro Roca, um keinen Anlass für Repression durch die Übergangsregierung unter Raúl Castro zu geben. Der hat sich seit der Übernahme der Amtsgeschäfte vom großen Bruder noch nicht einmal in der Öffentlichkeit gezeigt. Eine Tatsache, die nicht nur dem Zimmervermieter Oscar ausgesprochen spanisch vorkommt.