Keiner kann Kirchner kontrollieren

Argentiniens Parlament hat dem Präsidenten Néstor Kirchner außerordentliche Vollmachten bei der Haushaltsplanung übertragen – und sich zu einem wichtigen Teil selbst entmachtet. Kritiker fordern, den Obersten Gerichtshof einzuschalten

AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT

Das argentinische Parlament hat Präsident Néstor Kirchner auf unbestimmte Zeit Sondervollmachten erteilt, so genannte „superpoderes“. Damit kann die Regierung den Staatshaushalt ohne Befragung und Zustimmung des Parlamentes nach den eigenen Wünschen ändern. Die Abgeordneten hatten nach zwölf, teilweise turbulenten Stunden Debatte am frühen Donnerstagmorgen der Änderung mit 134 zu 90 Stimmen zugestimmt.

Während es der ehemalige Präsident Raúl Alfonsín im Vorfeld der Abstimmung „das Ende der Republik“ nannte, sprach der amtierende Präsident Néstor Kirchner von einem bloßen Finanzverwaltungsgesetz, das da modifiziert werde. In der Tat handelt es sich nur um die Modifizierung des Artikels 37 des argentinischen Finanzverwaltungsgesetzes. Die Exekutive hat jedoch damit, zusammen mit einer Neuregelung bei den Präsidentendekreten, die Haushaltskontrollfunktion des Kongresses kurzerhand ausgehebelt.

Schon seit 1997 ist es dem Kabinettschef per Gesetz erlaubt, die einzelnen Posten im Staatshaushalt zu verschieben. Beispielsweise mehr Ausgaben im Bildungsbereich zu Lasten von Verteidigungsausgaben. Allerdings musste diese Erlaubnis mit der Vorlage des neuen Haushaltsentwurfes vom Parlament jedes Jahr erneut verlängert werden. Diese Erlaubnis ist nun per Gesetz für unbegrenzte Zeit festgeschrieben. Zusätzlich kann der Kabinettschef jetzt auch die laufenden Ausgaben des Haushalts zu Lasten der veranschlagten Investitionsausgaben erhöhen.

Gut zwei Wochen zuvor konnte die Exekutive bereits eine Neuregelung bei den Notstandsdekreten durchsetzen. Dass Präsidenten in Argentinien mit Dekreten regieren, ist nicht neu. Kirchner kommt in seiner dreijährigen Amtszeit bereits auf über 200. Bisher war die Frage, wie das Parlament Präsidentendekrete behandeln soll, offen geblieben. Eine entsprechende Initiative war stolze zwölf Jahre lang nicht behandelt worden. Bis vor einigen Monaten ein Senator darauf drängte, der Kongress möge doch endlich beschließen, dass er über die Präsidentendekreten abzustimmen habe.

Plötzlich hatte es die Regierung Kirchner ebenfalls eilig. Am 20. Juli stimmte der Kongress zu, dass Präsidentendekrete von den beiden Kammern zwar behandelt werden müssen, aber sie dennoch in Kraft sind und bleiben, bis der Kongress über sie befunden hat.

„Das Parlament ist dabei, die Kontrolle zu verlieren, was mit den Staatsgeldern gemacht wird. Wir sind am Beginn einer Abschaffung der Institutionen“, kommentierte Fernando Chironi, der Fraktionsvorsitzende der Radikalen Bürgerunion UCR das Ergebnis. Drastischer formuliert es der Politologieprofessor Sergio Berensztein: „Das lässt den Kongress ohne jegliche Funktion. Es markiert eine Anhäufung der Macht des Präsidenten, die den grundlegenden Prinzipien der Gewaltenteilung unsere Republik widerspricht.“ Er plädiert dafür, dass jetzt der Oberste Gerichtshof einschreitet: „Das ist ein Musterbeispiel für die „Hyperpräsidentschaft“ dieser Regierung.