Groteske Knastposse

HINTER GITTERN Dürrenmatt exhumiert: „Schurkenstück“ (20.15 Uhr, ARD)

Die Moral hat gerade Konjunktur beim WDR. Erst präsentiert Intendantin Monika Piel dank neuem WDR-Gesetz ihren Gehaltsscheck, und als ob das nicht schon genug im Sommerloch wäre, parkt man gleich mal einen neuen Sozialkritik-Blockbuster im Abendprogramm der ARD.

In Torsten C. Fischers „Schurkenstück“ trifft klassisches Theater der Moderne also auf Fernsehfilm, nach dem Motto „Spiel im Spiel“ – mal was ganz Neues.

Die erfolgreiche Theatermacherin Fanny Dannewald, ordentlich gespielt von Katharina Schüttler, inszeniert in einer Jugendstrafanstalt Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Sie verlegt den Schauplatz des eigentlich provinziellen Bühnengeschehens also gleich mal ins Vorstadtghetto – innovativ.

Gecastet wird dann eine Multikultitruppe, inklusive Quotennazi, mit ordentlichem Vorstrafenregister – logisch, weil die kommen ja alle aus dem Ghetto. Den Verbindungsmann hinter den Kulissen gibt dann noch gekonnt Oliver Korittke als desillusionierter Sozialarbeiter und ein bi-bah-böser Wärter darf fleißig Hasstiraden absondern, weil sich seine Schützlinge ohnehin nicht mehr „ändern“.

Doch das, oh Wunder, tun sie dann doch, lernen fleißig Text, kochen zusammen Spaghetti und vergessen sich dabei auf die Fresse zu hauen. Es folgen: eine kollektive Katharsis und mächtiger Applaus nach der Premiere. So sieht also gelungene Resozialisierung aus. Trotz allem will man den halbstarken Kriminellen ihre Konflikte im Film nicht absprechen. Das Knastensemble um Franz Dinda und Vladimir Burlakov spielt solide seinen Part.

Doch die Stereotypen im Drehbuch und eine mitunter nervige Kameraführung im Doku-Soap-Format lassen den Film als Ganzes arg schwächeln. Dürrenmatt hat sein Stück einst als Groteske verstanden. Zumindest daran hat man sich beim WDR gehalten. JAN SCHEPER