Imagepflege mit Abrissbirne

Grüngürtel statt Problemviertel: Die Stadt Duisburg will rund ums ThyssenKrupp-Werk Wohnsiedlungen zurückbauen. Der „geordnete Rückzug“ kommt aber nicht bei allen gut an

VON MATTHIAS HENDORF
UND KLAUS JANSEN

Revolution? Paradigmenwechsel? Quatsch, findet Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland. „Wir vollziehen städtebaulich nur das nach, was die Bürger schon längst gemacht haben“, sagt der Christdemokrat. Sauerland ordnet den „geordneten Rückzug“ an: In den kommenden Jahren sollen in den Stadtteilen Bruckhausen, Marxloh und Beeck 310 Wohnhäuser abgerissen werden. Rund um das Stahlwerk von ThyssenKrupp soll ein 250 Meter breiter Grüngürtel entstehen.

Qualmende Schornsteine im Hintergrund, bis zu 50 Prozent Migrantenanteil, knapp 40 Prozent Leerstand von Wohnungen: Bruckhausen und Marxloh sind zum Klischee des stockenden Strukturwandels im nördlichen Ruhrgebiets geworden. Nun will die Stadt handeln: 2.000 Bewohner müssen umziehen. Industrie und Wohnbebauung sollen „entzerrt“, die Lebensqualität angehoben werden. „Wir schaffen ein besseres Klima“, sagt Oberbürgermeister Sauerland.

Getragen wird das bis zu 100 Millionen teure Projekt auch vom Land NRW – und vor allem von ThyssenKrupp. Duisburgs wichtigster Arbeitgeber besitzt nicht nur knapp die Hälfte der Wohnungen in den betroffenen Gebieten. Das Unternehmen ist auch der Hauptgrund für den Leerstand: Seit Jahren schon beschweren sich Anwohner über die Umweltbelastung durch das Stahlwerk. Die begrünte „Pufferzone“ soll nun Abhilfe schaffen. „Für die Stadt ist das das Beste“, sagt ThyssenKrupp-Sprecher Dietmar Stamm.

Umweltschützer zweifeln die Motivation der Stahlbauer an. „Es ist billiger 2.000 Leute wegzusiedeln, als saubere Industrieanlagen zu bauen“, kritisiert Michael Lefknecht von der Bürgerinitiative gegen Umweltgifte. Er unterstellt dem Unternehmen wenig hehre Absichten: „Je näher die Wohnungen am Werk stehen, desto teurer sind die Umweltauflagen für ThyssenKrupp.“ Wenn der Abstand größer werde, seien neue umweltbelastende Projekte des Stahlriesen wahrscheinlich, so Lefknecht.

Von der Politik bekommen ThyssenKrupp und Stadt Duisburg dennoch Unterstützung. Der grüne Planungsdezernent des Regionalverbands Ruhrgebiet, Thomas Rommelspacher, lobt die Idee eines Grüngürtels als „äußerst spannend“. Duisburg werde auf lange Zeit Stahlstadt bleiben – deshalb sei es nur konsequent, die am stärksten belasteten Stadtteile zurückzubauen. Es mache Sinn, „die Bausünden aus den 20er Jahren und der wilhelminischen Zeit zu beseitigen“. Auch NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) lässt mitteilen, dass sich „Wege für eine finanzielle Unterstützung“ finden lassen.

Protest gegen den Abriss regt sich nur langsam – anders als in den 1980er Jahren, als sich Bürgerinitiativen und Planer im Ruhrgebiet für den Erhalt von Arbeitersiedlungen einsetzten. In Duisburg etwa kämpften Anwohner gemeinsam mit dem damals in Dortmund lehrenden Städtebau-Professor Peter Zlonicky erfolgreich gegen den Abriss der ehemaligen Mannesmann-Siedlung Alt-Hüttenheim. Dass sich dies nun in Marxloh und Bruckhausen wiederholt, glaubt Zlonicky nicht: „Die Ausgangslage und die Sozialstruktur der Quartiere ist zwar vergleichbar“, sagt er, „aber die demografische Entwicklung war damals bei weitem nicht so drastisch wie heute.“