„Preußische Treuhand“ reicht Klage ein

Kanzlerin Merkel will Besitzansprüchen von Vertriebenen nach langem Zögern jetzt auch vor Gericht entgegentreten

MÜNCHEN taz ■ Die Düsseldorfer Vertriebenenfirma „Preußische Treuhand“ will jetzt Ernst machen und ihre Ansprüche auf ehemaligen deutschen Besitz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einklagen. „In wenigen Wochen“ sei der Gang nach Straßburg geplant, sagte Treuhand-Aufsichtsrat Alexander von Waldow der taz.

Damit droht den ohnehin angespannten deutsch-polnischen Beziehungen eine weitere Belastungsprobe. Warschau erwartet von der Bundesregierung, dass sie die polnische Position vor Gericht unterstützt. Bislang war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einer klaren Festlegung ausgewichen. Sie hatte lediglich erklärt, die Bundesregierung unterstütze keine Eigentumsansprüche deutscher Vertriebener. Jetzt deutete eine Sprecherin der Bundesregierung einen Kurswechsel an. Sie erklärte auf Anfrage, Merkel übernehme „die Position der Vorgängerregierung“ von Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Schröder hatte in seiner Rede bei der 60-Jahr-Feier des Warschauer Aufstands versprochen: „Die Bundesregierung wird solchen Ansprüchen entgegentreten und dies auch vor jedem internationalen Gericht deutlich machen.“

Die von der „Preußischen Treuhand“ bereits für Herbst 2004 angekündigten Entschädigungsklagen hatten in Warschau zu heftigen Reaktionen geführt. So verlangte das polnische Parlament vor knapp zwei Jahren, Warschau solle mit Berlin über Kriegsreparationen verhandeln.

Weil namhafte Juristen die Treuhand als Mandanten abgelehnt hatten, verzögerte sich die Einreichung der Klageschrift. Zuletzt verlor die Firma im Oktober 2005 ihren Berliner Anwalt zwei Tage vor einer geplanten Pressekonferenz. Welcher Anwalt die Klage nun vertritt, wollte der aus Pommern stammende Treuhand-Aufsichtsrat von Waldow nicht sagen.

Hinter der „Preußischen Treuhand“ stehen als Hauptanteilseigner die Landsmannschaft Schlesien und die NRW-Landesgruppe der Landsmannschaft Ostpreußen, in deren Düsseldorfer Geschäftsstelle die Vertriebenenfirma residiert. Den Aufsichtsrat führt Rudi Pawelka, Bundesvorsitzender der Schlesier und CDU-Stadtrat in Leverkusen, auch wenn er offiziell den Vorsitz niedergelegt hat. Als Stellvertreter des 66-Jährigen fungiert der Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Hans-Günther Parplies. Das BdV-Präsidium distanziert sich aber von der Treuhand.

Der SPD-Außenpolitiker Markus Meckel legte der CDU bereits den Parteiausschluss Pawelkas nahe: „Wenn man sich klar distanziert, dann muss man auch die Konsequenzen ziehen.“ Der Treuhand-Anführer habe das Klima in den deutsch-polnischen Beziehungen „vergiftet“.

Den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kann jeder Bürger der 46 Mitgliedsstaaten des Europarats direkt anrufen, ohne vorher andere Instanzen einschalten zu müssen. Ob sich das Gericht in diesem Fall für zuständig erklärt, ist allerdings fraglich. Die Europäische Menschenrechtskonvention, auf deren Grundlage die Richter entscheiden, trat erst 1953 in Kraft.

OLIVER HINZ