Beirut statt Hiroschima

Friedensdemos zum Atomgedenken diesmal ganz im Zeichen des Libanonkonflikts

FRANKFURT/MAIN taz/epd ■ Der Sonderschullehrer Gerd Küppers aus Neuwied am Rhein ist 62 Jahre alt. Schweiß hat sich unter seinem Helm angesammelt, als er am Samstag um fünf vor zwölf zusammen mit rund 60 weiteren Freizeitsportlern vor dem Westtor der US-Base Ramstein vom Rad steigt. Die Kommandozentrale der US-Luftwaffe in Europa mit ihren mutmaßlich 130 Atombomben ist schon das zweite Etappenziel für die „Pacemakers“, wie sich die Teilnehmer des von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsgegner (DFG-VK) organisierten Radmarathons für die Abschaffung aller Atomwaffen nennen. Rund 150 Kilometer haben die radelnden Friedensfreunde schon hinter sich gebracht, deren Protest dieses Jahr im Zeichen des aktuellen Nahostkriegs steht.

Bei ihrem ersten Verpflegungsstopp in Kirn an der Nahe verlasen die Friedensfreunde eine Grußbotschaft des Bürgermeisters von Hiroschima. Nie dürften diese „ungeheuerlichen Kriegsverbrechen“ der USA vergessen werden, sagt Küppers. Anlass der Friedensfahrt war der 61. Jahrestag des amerikanischen Atombombenabwurfs auf die japanische Großstadt.

Auf ihren Plakaten am Infostand bezieht sich die DFG-VK auf den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon. Beide Seiten werden aufgefordert, die Kampfhandlungen umgehend einzustellen: „Stoppt das Töten und die Zerstörung im Libanon und im Gaza-Streifen. Stoppt die Raketen der Hisbollah auf Israel.“ In den protestantischen Kirchen der Region werde in diesen Kriegszeiten jeden Samstag für den Frieden gebetet, berichtet Annette Dietrich, Sprecherin der rührigen Friedensinitiative Westpfalz (FIW).

In Baden-Württemberg hatten Friedensaktivisten schon am Freitagabend die „Pace“-Flagge gezeigt. Am Sitz der Waffenschmiede Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar zersägten sie vor dem Werkstor mehrere Gewehre. „Eine Vielzahl von Armeen und Milizen im Nahen und Mittleren Osten schießen mit Waffen von Hecker & Koch“, sagte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK.

Auch in mehreren deutschen Großstädten demonstrierten Menschen am Wochenende für ein Ende der Gewalt im Nahen Osten. Kundgebungen gab es unter anderem in Berlin, Düsseldorf, Leipzig und München. Nach Polizeiangaben protestierten am Samstag in Düsseldorf rund 1.000 Demonstranten friedlich gegen den Krieg im Libanon. Sie forderten einen sofortigen Waffenstillstand und einen Rückzug Israels aus dem Libanon. Zugleich betonten sie ein Existenzrecht Israels in den Grenzen von 1967.

Rund 300 Menschen demonstrierten in München für einen sofortigen Waffenstillstand im Nahen Osten. Unter den Teilnehmern waren vor allem Libanesen, die in Deutschland leben. Der Protestmarsch stand unter dem Motto „Den Libanon nicht im Stich lassen“.

Der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich sprach sich für die Einrichtung einer Pufferzone und den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe im Nahen Osten aus. In der bayerischen Kirchenzeitung Sonntagsblatt forderte er, die Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen. Zugleich äußerte Friedrich Verständnis für die israelischen Militäraktionen. Es sei das klare Ziel der Hisbollah, Israel zu Vergeltungsschlägen zu provozieren. Israel müsse aber die Konsequenzen der Bombardierungen bedenken. Eine mögliche Folge wäre ein islamistischer Libanon.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT