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Griff in die Wunderkammer

Seit Juni sind 24 Kunstsammlungen aus der Euregio bei „After Cage“ in Bewegung. Jetzt sollen junge Künstler aus NRW, die selbst aus verschiedenen kulturellen Welten stammen, dort intervenieren

VON PETER ORTMANN

Die Wunderkammern der Euregio zittern vor Anspannung. Seit Juni wird ihr kunsthistorischer Inhalt bereits im Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen, im Marres in Maastricht, im Z 33 in Hasselt sowie im MAMAC in Liège immer wieder in einem völlig neuen Kontext gezeigt. Welche Gegenstände wo mit anderen zusammentreffen, bestimmt ein Konzept des amerikanischen Fluxuskünstlers und Komponisten John Cage (nach: Rolywholyover a Circus von 1993). Jetzt sollen 24 zeitgenössische internationale Künstlerinnen und Künstler intervenieren.

Die Reihe der Eingriffe in die Wunderkammern beginnt Ende August mit dem jungen chilenischen Künstler Pablo Zuleta Zahr, der zur Zeit beim Fotostar Thomas Ruff in Düsseldorf studiert. Wie seinem Professor liegen ihm die Großformate, auf denen er allerdings nicht Portraits, sondern beispielsweise Mengen an ähnlich gekleideten Passanten in schmale Raster quetscht. Auch die anderen jungen Künstler sollen, insbesondere auch über ihre Biografie – Leben zwischen verschiedenen kulturellen Welten – das Projekt „After Cage“ bis September reflektieren. Unter ihnen sind der aus dem slowenischen Maribor stammende Düsseldorfer Bildhauer Bogomir Ecker oder die deutsch-afrikanische Videokünstlerin Ingrid Mwangi aus Ludwigshafen. Eine zweite Hochphase steht dann erst wieder in Verbindung zur Euregionale 2008. Sie ist durch einen thematischen Schwerpunkt auf Wissenschaft und Technik gekennzeichnet. Mit Mitteln der Städtebauförderung wird dann ein Gesamtpaket von rund 105 Millionen Euro in die Regionalentwicklung der Dreiländer-Region Aachen investiert, die die Nachfolgenutzung vom Indeland im Braunkohlerevier Düren klären soll, den Strukturwandel im Aachener Nordraum fördern, für außerschulische Lernorte sorgen und die Realisierung des angestrebten Bauhaus Europa sichern soll.

Doch zurzeit wird erst einmal das grenzüberschreitende Kunstprojekt mit Belgien und den Niederlanden beworben. Mit einem Info-Container tourt „After Cage“ durch die Euregio Maas-Rhein. Seit gestern steht der in Aachen und für jeweils zwei bis sieben Tage an weiteren zentralen Plätzen zwischen Eupen und Heerlen. Dort können sich Interessierte über die Wunderkammern informieren. Kristofer Paetau und Ondrej Brody schafften beispielsweise in Hasselt eine so genannte „Kinderkammer“. Dazu ließen sie sich von Harry Potter und dem Film „The Blair Witch Project“ inspirieren. Die Kammer gestalten sie zu einer öden Landschaft mit einem Baum, einem Friedhof, einer verfallenen Kirche und zahlreichen religiösen Objekten. Gemeinsam mit den Kindern möchten Paetau und Brody einige Rituale rund um diese Projekte nachgestellt und filmisch dokumentieren.

In Maastricht stehen in der Wunderkammer im „Marres – Centrum voor Contemporaine Cultuur“ gleich 120 per Zufallsprinzip zusammengestellte Objekten aus dem insgesamt mehr als 500 Objekte umfassenden Exponatenpool der 24 teilnehmenden Sammlungen. Diese Gelegenheitssammlung, zu der auch ein Video von Gilbert & George, ein Marmortorso von Ludwig XIV. oder eine Schaufel gehören, wird als Teil der Ausstellung in einem temporären Depot gelagert und streng beaufsichtigt. Nach dem von Cage entlehnten Prinzip, aber auch durch Mitwirkung des Publikums, werden verschiedene Objekte aus dem Depot herausgenommen und in einer Installation präsentiert oder wieder ins Depot zurückgestellt. Fortwährend bleiben so die Objekte in Bewegung und finden in immer neuen Konstellationen zueinander.

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