Abriss sonst Abreise

NRW-Städte nehmen sich ein Beispiel am geplanten Abriss eines Duisburger Wohnviertels: Sie fordern Geld für den Rückbau von Hochhäusern. „Uns allein fehlen die Mittel“ sagt Gelsenkirchens OB

von MATTHIAS HENDORF
und ANNIKA JOERES

Städte aus dem Ruhrgebiet fordern Geld für den Abriss von Wohnungen. „Wir stehen in den Startlöchern“, sagt Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD). Wenn das Land und der Bund Geld geben würden, könnte die Revierstadt die oberen Etagen von Hochhäusern im Stadtteil Hüllen abreißen. „Wir planen konkret, aber uns alleine fehlen die Mittel.“

Gelsenkirchen will damit dem Beispiel Duisburgs folgen. Ende vergangener Woche hatte die Stadt angekündigt, in Marxloh, Bruckhausen und Beeck rund 300 Häuser abzureißen und bis zu 2.000 Menschen umzusiedeln. So sollen verlassene Wohnungen einem Grüngürtel weichen. Schließlich sieht die Prognose für das gesamte Ruhrgebiet düster aus: Das Landesamt für Statistik prophezeit dem Pott und angrenzenden Regionen einen Einwohnerverlust von rund 10 Prozent bis zum Jahr 2020.

Der Grund für das Aussterben einzelner Viertel ist bekannt: Der anhaltende Strukturwandel in NRW. „Aufgrund der Strukturprobleme entstehen schwierige Lebensverhältnisse“, sagt Hartmut Thielen vom nordrhein-westfälischen Städtetag. Daher warnt auch Thielen vor einer Kürzung der Finanzspritzen. „Das Land ist in der Pflicht die Gelder nicht zurückzufahren.“

Auch Krefeld hat ein Hochhaus, das es „am liebsten halbieren“ würde, sagt Sprecher Hans-Joachim Mathias. Der 23-geschossige Wohnturm am Rande der Innenstadt biete ein grauenhaftes Bild. „Wenn es Städtebaumittel dafür gebe, würden wir sie gerne annehmen“, so Mathias. An Grünflächen mangele es der Stadt aber nicht. Auch an einen gravierenden Einwohnerschwund will Krefeld nicht ganz glauben: „Die Prognosen haben nie gestimmt.“

Dorsten nimmt die Prophezeiungen allerdings ernst. Als eine der ersten Städte in Westdeutschland wird sie den Stadtteil Barkenberg wegen Wohnungsleerständen von über 50 Prozent teilweise abreißen. Doch die Unterstützung durch das Land war lange ungewiss. „Es war schwierig an die Landesmittel zu kommen“, sagt Volker Deutsch, zuständiger Projektkoordinator der Stadt.

Dass sich der Kampf um öffentliche Gelder lohnt, zeigt das Beispiel Oer-Erkenschwick. Als Pilotprojekt des Forschungsfeldes Stadtumbau West angelegt, wurde die Wohnsiedlung „Schillerpark“ neu gestaltet. 13 Stockwerke hohe Hochhäuser wurden auf maximal vier Etagen zurückgebaut. So fielen 90 der ursprünglich 225 Wohnungen weg. Darüber hinaus wurden rund um die Gebäude Büsche und Bäume gepflanzt. „Die Nachfrage ist sehr groß“, sagt Bernd Immohr, zuständiger Projekleiter der Stadt. So seien die Erwartungen der Kommune sogar übertroffen worden. Der Bedarf an Wohneinheiten war derart groß, dass zur Zeit zusätzlich zwei weitere Komplexe im Bau sind. Immohr rät allen Städten: „Wir müssen runter von der reinen Größe hin zu besserer Qualität.“