UN-Berichte stören den Krieg gegen Guerilla

Wiedergewählter Präsident Uribe möchte die Kompetenzen des UN-Menschenrechtsbüros in Kolumbien beschneiden

PORTO ALEGRE taz ■ Gloria Cuartas gibt sich keinen Illusionen hin. „In den kommenden vier Jahren wird sich der Krieg in Kolumbien weiter verschärfen“, sagt die prominente Menschenrechtsaktivistin, die in den 90er-Jahren Bürgermeisterin von Apartadó in der Bananenregion Urabá war. Ihr damaliger Gegenspieler Álvaro Uribe, der als Provinzgouverneur von Antioquia die „Befriedung“ des heftig umkämpften Krisengebiets in Nordwestkolumbien betrieb, hat gestern seine zweite Amtszeit als Präsident angetreten.

Während sich Cuartas für besonders schutzlose Bevölkerungsgruppen wie Kleinbauern, AfrokolumbianerInnen und Indígenas einsetzt, die zu Hunderttausenden vertrieben wurden, würde Uribe die Kritik von Menschenrechtlern am liebsten ganz ignorieren. Er kann sich durch seine klare Wiederwahl im Mai bestärkt fühlen – doch lästig bleiben die Mahner, allen voran das seit 1997 in Bogotá angesiedelte Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte.

Noch sträubt sich die Regierung gegen die Verlängerung des UN-Mandats, das im Oktober ausläuft. Vizepräsident Francisco Santos wünscht sich eine „nützlichere, weniger politisierte“ Behörde. Besonders sind ihm und Uribe die ungeschminkten Jahresberichte über die katastrophale Menschenrechtslage ein Dorn im Auge. Darin wird die Regierung regelmäßig in die Verantwortung genommen, aber auch die Verbrechen der Guerillagruppen und der rechten Paramilitärs werden benannt. Ende Juni bekamen die UN-Funktionäre die uneingeschränkte Rückendeckung der EU. Das Mandat des Büros dürfe auch nicht aufgeweicht werden, forderten 80 US-Kongressabgeordnete in einem Brief an Condoleezza Rice, die Außenministerin solle dies der Uribe-Regierung klar machen.

Gloria Cuartas ist das zu wenig. Die internationale Gemeinschaft sei über die humanitäre Krise in Kolumbien durchaus im Bilde, sagt die 46-jährige Aktivistin der taz: „Auch die EU ist nicht unschuldig. Europäische Konzerne profitieren ebenfalls von den Privatisierungen und von den riesigen Ölpalmenplantagen, für die Tausende durch den Terror der Paramilitärs vertrieben werden.“ Oft kämen EU-Projekte wie die umstrittenen „Friedenslabors“ in Kriegsgebieten Opfern wie Tätern zugute: „Diese Zusammenarbeit muss überdacht werden. Neben den staatlichen Beziehungen brauchen wir eine Bürgerdiplomatie und mehr politische Debatten.“ Beispielsweise über das Massaker unweit der zentralkolumbianischen Kleinstadt Cajamarca, als eine Militärpatrouille im April 2004 fünf junge Kleinbauern ermordete – den letzten nach makabrem Losentscheid, wie der Täter jetzt aussagte. Uribe hatte sich seinerzeit an den Tatort begeben und das Blutbad als Versehen bezeichnet. Inzwischen stehen immerhin die sieben direkt beteiligten Soldaten vor Gericht, nicht jedoch ihre Vorgesetzten.

„Machen wir uns nichts vor, es gibt auch unter den verarmten Sektoren einen Rechtsruck, aus Angst vor Hunger oder davor, seine Arbeit zu verlieren“, meint Cuartas. „Ohne sehr viel Hilfe und Begleitung von außen wird sich daran wenig ändern.“.

GERHARD DILGER