Obama, Ratze und Weichert

AMT UND WÜRDEN

Manchmal gebiert das politische Tagesgeschäft unversehens eine ethische Grundfrage – diejenige, mit der sich Schleswig-Holsteins Landespolitik in der vergangenen Woche beschäftigte, lautete so: Macht die Hoffnung auf Wiederwahl einen Menschen so korrumpierbar, dass er für das Amt, in das er gewählt werden will, untragbar ist?

Mächte und Staaten beantworten diese Frage unterschiedlich. Amerikanischer Präsident darf ein Mensch nur zweimal werden, aber mit Söhnen oder Ehefrauen in die indirekte Verlängerung gehen. Russischer Präsident darf zurzeit nur Putin werden, egal was die Verfassung sagt. Papst musste man bis Ratze ewig bleiben.

Und wie sortiert sich der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte da ein? Thilo Weichert, der seit 2004 das Unabhängige Datenschutzzentrum (ULD) leitet, beendet zum Herbst die erlaubten zwei Amtszeiten. SPD, Grüne und SSW wollen nun das Gesetz ändern: Der Datenschutzbeauftragte könnte dann, genau wie die anderen Beauftragten des Landes, unbegrenzt wiedergewählt werden. Die Opposition wittert in der „Lex Weichert“ einen Gefallen an den Amtsinhaber: „Gebettelt“ habe der streitbare Thilo um die Entfristung seines Jobs, dröhnte es aus den Reihen der CDU. Und die Piraten machen sich Sorgen, der Datenschützer könnte seine Unabhängigkeit verlieren, wenn er „bei der Landesregierung lieb Kind machen“ müsse. Es sei gute demokratische Sitte, die Amtszeiten für Kontrollorgane zu begrenzen.

Präsident Obama – so wurde medial kolportiert – will nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit eine Strandboutique eröffnen und dort T-Shirts verkaufen, einfarbig und in Einheitsgröße, um nie wieder Entscheidungen treffen zu müssen. Weichert könnte nach Ende seiner zweiten Amtszeit ganz entspannt sein Facebook-Profil pflegen.

Doch vor den ethischen Grundfragen kommt das politische Tagesgeschäft – und da zählt, wer die Mehrheit der Stimmen im Parlament hat. Ist das Gesetz erst geändert, hätte Weicherts Bewerbung gute Chancen, verlautete es aus den Reihen der Regierungsfraktionen. Die Begründung ist simpel: SPD, Grüne und SSW halten den Datenschützer für kompetent.  EST