Er ging nicht weg

LIEBESKUMMER Steffi Unsleber, 26, sonntaz-Redakteurin, wollte ihn verlassen. Oder? Mit 18 schrieb sie diesen Text

Sein Brief lag auf meinen Knien, unsichtbar für die Menschen um mich. Ich wollte ihn nicht noch mal lesen, aber meine Augen blieben an den Worten kleben. Sie waren schön und schrecklich, wirbelten durch meinen Kopf. „… Ich will dich hier an die Hand nehmen, dich trösten und erinnern an Theaterspielen auf offener Straße, Schwäne im weichen Abendlicht und wunderschöne Nächte mit dir …“

Ich hielt die Luft an. Unsere Zeit war vorbei, ich hatte mich getrennt. Für die Rückkehr in mein altes Leben hatte ich viel zurückgelassen und viel an Zerbrochenem gefunden.

Es fühlte sich nicht gut an. Er ließ sich nicht so einfach vertreiben und zehrte noch immer an mir. Ich kam mir schwach vor und krank. Er wollte mich zurück und ich nicht endgültig gehen. In wenigen Stunden würde ich ihn sehen.

Die Worte meines Lehrers drangen langsam wieder zu mir. Die Stunde war vorüber. Man redete über das Wetter und die Bild-Zeitung. Klirrende Kälte, Obdachlose starben auf den Straßen. „Ein Schwan wurde gefunden, festgefroren im Eis.“ Ich erschrak, starrte meinen Lehrer an. „Das arme Tier …“

Nichts weiter. Er brach ab und machte sich daran, seine Tasche zu packen. Ich wurde panisch. Ich musste unbedingt wissen.

Wichtig, erfroren? Es war absurd zu fragen, aber.

„Hat er überlebt?“, atemlos. Mein Lehrer schaute mich verwundert an.

„Wer?“

„Der Schwan!“

„Er wurde ins Tierheim gebracht. Ich weiß nicht, ob er durchkommt.“