Keinen Bock auf Landleben

ÄRZTEMANGEL Wer auf dem Land wohnt, sollte nicht krank werden: Der Weg zum Hausarzt wird weiter. Schuld soll die schlechte Honorierung sein, so Politiker und Experten

■  Derzeit sind laut Gesundheitsministerium in Brandenburg 161 Hausarztstellen unbesetzt. Eine Unterversorgung drohe in den Regionen Forst, Guben, Jüterbog, Pritzwalk, Schwedt und Brandenburg/Land. Für Neuzulassungen gesperrt seien hingegen die Städte Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) sowie der Landkreis Elbe-Elster, weil dort ausreichend Hausärzte im Einsatz seien.

Freie Arztstellen neu zu besetzen sei inzwischen schwierig, sagt Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke). So empfänden junge Ärzte die Lebensqualität vor Ort sowie die Ausstattung mit Kitas, Schulen, Kultur und Verkehrsmöglichkeiten oft als unzureichend. Zudem arbeiteten insbesondere Ärztinnen nach Abschluss des Studiums lieber als Angestellte in Gemeinschaftspraxen oder Kliniken, als sich selbstständig zu machen.

Brandenburg will bei der medizinischen Versorgung mit dem Ausbau von Telemedizin, medizinischen Versorgungszentren sowie mit dem Einsatz von Gemeindeschwestern auf neue Modelle setzen. Derzeit gibt es im Land Brandenburg 32 medizinische Versorgungszentren, die die Aufgaben der früheren Polikliniken der DDR erfüllen. Zur Unterstützung von Hausärzten sind in fünf Landkreisen 21 Praxisassistentinnen im Einsatz, die die Aufgaben der früheren Gemeindeschwestern übernommen haben. Zur Verbesserung des Gesundheitsangebots in Brandenburg soll im Herbst in Potsdam eine Agentur für Telemedizin als Beratungsgremium gegründet werden. (epd)

VON SHIRIN SABER

Landärzte werden immer älter und der Mediziner-Nachwuchs will nicht aufs Land ziehen: Der Ärztemangel in den ländlichen Regionen Brandenburgs nimmt zu. Es mangelt vor allem an Hausärzten. Laut der brandenburgischen Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) droht in sieben brandenburgischen Regionen eine Unterversorgung kranker Menschen. Genügend Hausärzte gebe es nur in den Großstädten Potsdam, Cottbus, Frankfurt und im Landkreis Elbe-Elster.

Zwar ist die Gesamtzahl der niedergelassenen Mediziner in den vergangenen zehn Jahren von 3.280 auf derzeit 3.511 gestiegen, erklärt Tack. Doch knapp ein Viertel der praktizierenden Ärzte sei älter als 60 Jahre und würde bald für die medizinische Versorgung ausfallen. „In den betroffenen Regionen bedeutet das für die Menschen vor allem weitere Wege und längere Wartezeiten“, erklärt Thomas Barta, Abteilungsleiter im brandenburgischen Gesundheitsministerium. Zudem habe sich der Versorgungsbedarf der Bevölkerung verändert: „Die Bevölkerung ist älter geworden; die Zahl der chronisch Kranken nimmt zu“, erklärte Barta. Insofern sei der Ärztemangel ein „echtes Problem“, gegen das vorgegangen werden müsse.

Der Altkreis Angermünde gilt laut Tack beispielsweise als hausärztlich völlig unterversorgt. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVB) von 1.642 auf 1.535 gesunken. Damit muss ein Allgemeinarzt durchschnittlich 1.700 Menschen betreuen und versorgen. Zum Vergleich: Bundesweit ist ein Arzt für durchschnittlich 1.569 Einwohner zuständig, in Berlin sogar nur für 1.399.

Über die Gründe für den Mangel an Medizinern sind sich Ministerium und Kassenärztliche Vereinigung einig: Die geringe Honorierung ist schuld. Noch immer gebe es Unterschiede zu den alten Bundesländern. Erste Maßnahmen gegen den Ärzteschwund hat das Land schon vor Jahren eingeleitet. Durch Modellprojekte wie den Einsatz ländlicher Gemeindeschwestern ist laut der Gesundheitsministerin bereits eine „qualitative Verbesserung“ erzielt worden. Diese Schwester entlasten die ambulanten Ärzte, indem sie etwa Hausbesuche durchführen. „Damit die Ärzte nicht selbst ständig rausmüssen und stattdessen mehr Zeit für ihre Patienten in den Praxen haben“, erklärt Abteilungsleiter Thomas Barta.

Einen weiteren Anreiz soll ein gemeinsames Förderprojekt der KVB und der gesetzlichen Krankenkassen Brandenburgs bieten. Danach können Vertragsärzte, die sich in unterversorgten Regionen niederlassen, Zuschüsse von bis zu 50.000 Euro erhalten. Gabriele Rähse, Sprecherin der AOK Brandenburg, betont: „Es ist natürlich auch in unserem Interesse, wenn unsere Kunden vor Ort ärztlich versorgt sind.“