LESERINNENBRIEF
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Sicher, der ADAC ist auch wichtig

■ betr.: „Burundi: 67 Tote bei schweren Überflutungen“, Kurzmeldung, taz vom 11. 2. 14

Folgendes richtet sich nur vordergründig an die taz, in Wirklichkeit geht es mir aber um die deutsche Presselandschaft als Ganze. Burundi ist einer der flächenmäßig kleinsten, aber am dichtesten bevölkerten Staaten Afrikas. Eingeschlossen von Ruanda, dem Kongo und Tansania liegt das Land direkt am Tanganjikasee. Der zweittiefste See der Welt und hohe Berge, auf denen Landwirtschaft betrieben wird, prägen das Bild. Das Land ist momentan auf Platz 178 von 186 der ärmsten Länder der Welt.

Die Regenflut

In der Nacht von Sonntag auf Montag hat es geregnet. Zehn Stunden lang. Ohne Unterbrechung. Wer den afrikanischen Niederschlag während der Regenzeit kennt, weiß, was das bedeutet. Für Burundi bedeutete es jedenfalls eine Katastrophe: Das Wasser stieg unvorstellbar schnell an, an manchen Stellen erreichte es eine Höhe von mehr als zwei Metern. Schlammlawinen überrollten Dörfer und erreichten sogar die Hauptstadt Bujumbura. Einige Stadtviertel der Hauptstadt versanken in einer Mischung aus Schlamm und Steinen. Wasser hat sehr viel Kraft. Die Todeszahlen reichen von 68 (Croix Rouge à Burundi, Dienstag) bis zu 158 Menschen (wie Donnerstag im Radio verkündet). Die meisten der Toten sind Kinder. Die Verletzten sind unzählbar, die „Krankenhäuser“ (in denen man Ärzte vergeblich sucht) quellen über. Natürlich sind gerade die ärmsten Quartiere am schlimmsten betroffen. Die Straßen sind unbefahrbar, die Kanäle am Rande der Straßen, die die Häuser und Hütten vor Wasser schützen sollen, sind Flüsse, wenn der Schlamm sie nicht verstopft hat. Die meisten Häuser sind schwer beschädigt oder unter den Schlamm- und Wassermassen dem Erdboden gleichgemacht worden.

Die Definition von Haus ist hier selbstverständlich eine andere als in Europa, ein Blech- oder Strohdach auf ein paar Lehm- oder Holzmauern ist hier schon etwas, worauf viele Burundier stolz sind. Es ist nämlich besser als die Straße. Viele Menschen haben alles verloren, auch gerade weil sie schon vorher nicht viel besaßen. Dazu kommt, dass es in vielen Stadtvierteln seit Sonntag weder Strom noch Wasser gibt. Der Nährboden für Krankheiten wie die Cholera (nach der Regenzeit kommt nahezu übergangslos die extreme Trockenzeit) ist ideal.

Die Leichen werden in Tücher gewickelt

Die Wege in den Kongo und nach Ruanda sind versperrt, auch Lebensmittel aus den Bergen kommen nur schwer in Bujumbura an. Die Menschen hier beklagen sich nicht. Sie sagen: „Es ist eine Katastrophe“ und schaufeln weiter beharrlich den Schlamm aus ihren Häusern. Natürlich haben die meisten keine richtigen Schaufeln, oft sieht man kleine Kinder, die ihren Eltern mit Spielzeugschaufeln helfen. Die Leichen werden in Tücher gewickelt und an Orten wie Schulen oder Kirchen gesammelt. Tränen sieht man so gut wie keine, wenn dann von den Weißen, die sicher in ihren großen Häusern in den vergleichsweise reicheren Vierteln wohnen und in der Nacht des Unwetters seelenruhig geschlafen haben. Viele Hilfsorganisationen, große und kleine, haben einen Sitz in Burundi. Wirklich geholfen hat, abgesehen vom Roten Kreuz, bis jetzt keiner wirklich.

Die Burundier arbeiten gegen die Zeit. Es wird noch mehr Regen geben. Logisch, es ist Regenzeit, und zwar noch bis April. Auch wenn es höchstwahrscheinlich nicht erneut solche Wassermassen wie Sonntagnacht sein werden – die Ausgangssituation der Burundier ist eine deutlich schlechtere als vor einer Woche. Es wird sie wieder hart treffen. Der Tod ist hier in Burundi, in Bujumbura, durchgehend präsent. Die Vergangenheit war hart, die Gegenwart ist hart, die Zukunft wird ebenfalls hart werden. Sie brauchen Hilfe, viel Hilfe. Aber momentan sieht es so aus, als wären die Menschen wieder einmal auf sich alleine gestellt.

Morde und Morddrohungen

Ein Problem ist, dass es zumindest in Europa keinen wirklich betroffen macht, denn es wird so gut wie nicht darüber berichtet. Mir ist klar, dass es auch in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten Unglück und schreiende Ungerechtigkeit gibt. Ich war aber geschockt, als ich die Aufmacher großer deutscher Zeitungen gelesen habe. Nun gut, der ADAC ist wichtig für Deutschland. Die Olympiade ebenso. Und auch die Frage, ob Liebe unemanzipiert macht, beschäftigt die Welt. Ich möchte nicht behaupten, dass der burundische Präsident Pierre Nkurunziza (seine Partei ist die CNDD-FDD, der mehrheitlich Hutu angehören) sich über das Unwetter gefreut hat. Für ihn bedeutet es aber eine gute Ablenkung der Bevölkerung von seinen Machenschaften. Er versucht seit Monaten, eine Verfassungsänderung durch das Parlament zu bringen, damit er noch eine dritte Amtszeit, also weitere fünf Jahre herrschen darf. Er versucht dies mit allen Mitteln: Inhaftierungen, Morde und Morddrohungen gegen Oppositionelle. Auch darüber liest man in europäischen Zeitungen so gut wie nichts.

Die Medien haben Macht

Warum nicht die Hebel der internationalen Presse in Gang setzen für die ärmsten Länder der Welt? Dies würde natürlich auch keine heile Welt schaffen, mit Worten allein rettet man sie nicht. Aber es würde helfen, da bin ich mir sicher. Worte, die die Menschen in Europa, in Amerika oder Asien erreichen, könnten Ländern helfen, dem Teufelskreis der Ungerechtigkeit zumindest ein Stück weit zu entfliehen. Es ist gerecht, die Geschehnisse in Afrika mehr ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit zu rücken. MILENA SOUS, 18 Jahre, Bujumbura