POTSDAMER PLATZ
: Es vibriert

Der Mann setzte sich an eine Wurlitzer-Orgel

Am Potsdamer Platz rumlaufen, um 11 Uhr am Vormittag, auf der Suche nach Glamour, ist wenig zielführend. Es ist hell, keine Scheinwerfer, nix. Aber ich kenne dort einen Ort, an dem es warm ist, man kann was erleben, und er hat sogar was mit Kino zu tun: das Musikinstrumentenmuseum. Dort sieht man die Flöte von Friedrich dem Großen oder ein Cembalo, auf dem unanständige Szenen gemalt sind.

Ein Mann vom Museum hat mir und ein paar anderen Leuten alles gezeigt und sogar ein Cembalo gespielt, das klang nach Menschen mit weißer Perücke und Puder und Rüschen. Und er erzählte, dass Adelige keine Blasinstrumente spielten, weil sie fanden, das sieht blöd aus. Deshalb mussten Bürgerliche die Klarinette spielen. Es gibt im Museum auch eine Art Dudelsack mit grünem Beutel und weißen Rüschen. Damit machten die Adeligen Ausflüge in die Natur, die Frau spielte Schäferin und der Mann den Dudelsack ohne Mund, mit einer Art Blasebalg.

Was das alles mit Film zu tun hat? Sie denken vielleicht, ich will auf den Film im Kopf hinaus oder so. Aber nein, der Mann setzte sich an eine Wurlitzer-Orgel. Mit so was begleitete man früher Stummfilme. Er drückte Tasten und Knöpfe, und dann kamen Töne, aber nicht aus dem Gerät, sondern aus dem Stockwerk darüber, wo das eigentliche Instrument war, versteckt hinter Holz. Von dort hörte man es zwitschern und klingeln und tuten. Und dann spielte der Mann ein dunkles Dröhnen. Ich hatte das Gefühl, der Boden vibriert wie in diesen modernen Kinos, wo man Raumschiffe von der Seite hört. Der Mann sagte, man sollte das nicht zu oft machen, ich weiß nicht, warum. Aber es klang geheimnisvoll, und als ich ging, fühlte ich mich wie nach dem Kino.

Bis 17 Uhr kann man das Museum besuchen. Danach leuchten auf dem Marlene-Dietrich-Platz wieder die Scheinwerfer.

GIUSEPPE PITRONACI