berliner szenen Drag for Beginners

Eigenhaare kleben

Hedi will Dragking werden. Deshalb besucht sie den Workshop „Drag for Beginners“ auf dem Ladyfest. Im Open Space in Kreuzberg wartet sie mit anderen Frauen ungeduldig darauf, sich einen Bart aus fein geschnittenem Eigenhaar anzukleben. Mütze ist transgender, leitet den Workshop und lässt die Teilnehmerinnen mit den Stühlen einen Kreis bilden. Hedi hasst Kreise. Es erinnert sie an ihren ersten Schultag in der Grundschule, wo sie mit anderen Kindern auf bunten Kissen im Kreis saß und stotterte: „Ich bin das Hedi. Ich habe einen Bruder und einen Hasen.“ Alle lachten. Hinterher wurde sie verprügelt.

Mütze fragt: „Wenn ihr ein Werkzeug sein könntet, welches wäre das? Und warum?“ Eine Frau will ein Schwamm sein, weil sie sich weich findet. Eine andere ein Presslufthammer – sie beschreibt sich als gewaltig und schnell. Hedi fühlt sich eher als Flaschenöffner. Die Gesprächsrunde dauert zwei Stunden. Danach sind aber auch alle so weit: Die männliche Gestik wird einstudiert, Brustbinden werden umgebunden, Bärte angeklebt. Eine heterosexuelle Italienerin, deren Augenaufschlag an Sophia Loren erinnert, fragt: „Warum soll ich mir Haare ins Gesicht machen? Ich habe mich heute eine Stunde lang rasiert.“ Betretenes Schweigen. Mütze erklärt ihr geduldig, wie viel Körperbehaarung mit der Konstruiertheit von Geschlechterrollen zu tun haben kann.

Das Verkleiden macht Spaß. Die Italienerin bekommt schließlich den Schnurrbart ihres sizilianischen Papas verpasst. Hedi will ihren Pferdeschwanz behalten, kriegt aber einen Backenbart dazu. Anschließend stampft sie breitbeinig durch Kreuzberg. Die Männer schauen ihr nach. Aber anders als sonst.

ARIANE VON GRAFFENRIED