Aufregung um Erika Steinbach

Mit heftiger Kritik berichten Polens Medien über die Eröffnung der Vertriebenenausstellung in Berlin. Premier Jarosław Kaczyński sieht darin „eine sehr schlechte, beunruhigende und traurige Initiative“

AUS DANZIG PAUL FLÜCKIGER

Keine Ausstellung im Ausland hat in den letzten Jahren in Polen die Wogen so hochgehen lassen wie die gestern in Berlin für das Publikum eröffnete Ausstellung „Erzwungene Wege“ des Bundes der Vertriebenen. Überregionale Tageszeitungen widmeten allein der Presse-Eröffnung von Donnerstag eine ganze Seite. Unter dem Titel „Die erzwungenen Wege der Erika Steinbach“ führt die meinungsführende, liberale Gazeta Wyborcza durch die Ausstellung, die in Polen als Fanal zur Errichtung des geplanten Vertriebenenzentrums gesehen wird. Ein Portrait Adolf Hitlers würde man dort vergebens suchen, wird bemängelt. Schon die Anordnung und Gewichtung der einzelnen Vertreibungen im 20. Jahrhundert drängten den Verdacht auf, dass hier die Schuld Hitlerdeutschlands unter den Teppich gekehrt werden solle. Dem Zypernkonflikt sei etwa gleich viel Platz eingeräumt worden wie dem Zweiten Weltkrieg, kritisiert die Zeitung weiter. „Bestimmt wird diese Ausstellung das bereits belastete deutsch-polnische Verhältnis weiter verkomplizieren“, warnt sie.

Erstaunlich neutral hat die ultra-katholische, der polnischen Regierung nahe stehende Tageszeitung Nasz Dziennik über Steinbachs Ausstellungsprojekt berichtet. Sie schickte eigens einen Reporter nach Berlin, dem nicht entgangen war, dass die Ausstellungseröffnung durch Bundestagspräsident Norbert Lammert eine stille Sanktion durch die Bundesregierung bedeutet. Gegen den damit unterstützten Geschichtsrevisionismus, so Nasz Dziennik, hätte zum Glück eine gemischte deutsch-polnische Gruppe protestiert. Die Ausstellung sei zwar objektiv und wertneutral aufgemacht, doch würden die Proportionen nicht gewahrt, lautet auch hier das Urteil.

Das neue Springerblatt Dziennik widmet der Eröffnung gar fast zwei Seiten. „Die Ausstellung könnte das Geschichtsbewusstsein in Deutschland verwischen“, warnt der mit der polnischen Regierung zusammenarbeitende Anwalt Stefan Hambura gegenüber der Zeitung.

Einzig die konservative Rzeczpospolita, die einst Steinbach selbst nach Polen eingeladen hatte, um ihre Projekte vorzustellen, räumte dem Ereignis eher wenig Raum ein.

Hart kritisiert wurde die Ausstellung bereits am frühen Donnerstagabend vom polnischen Premier Jarosław Kaczyński. „Das ist eine sehr schlechte, beunruhigende und traurige Initiative“, sagte Kaczyński nach einer Besichtigung des ehemaligen KZ Stutthof östlich von Danzig. „Wir wünschen uns, dass alles, was sich mit dem Namen Erika Steinbach verbindet, so schnell wie möglich zu Ende geht; denn es bringt nicht Gutes für Polen, Deutschland und Europa“, sagte Kaczyński.