Urlaub, wenn’s am schönsten ist

BREMERHAVEN Kommunalaufsicht prüft Doppelbesetzung des Oberbürgermeisterpostens. Verfassung durchkreuzt SPD-Plan: Wahl eines Nachfolgers ist frühestens im Juni erlaubt

„Eine Wiederwahl ist frühestens sechs Monate vor Ablauf der Amtszeit zulässig“

Verfassung Bremerhaven, §39

von ARMIN SIMON

Vom 19. Stock des Atlantic Hotels Sail City in Bremerhaven hat man einen guten Blick über die Stadt, und dass die Lokalität, in welcher Jörg Schulz (SPD) gestern das Wort erhob, unter dem Namen „Captain’s Lounge“ firmiert, dürfte dem Noch-Oberbürgermeister nicht unlieb gewesen sein. Eine Begrüßungsrede für die Ehrengäste der „Sail“ sollte es sein, mit Blick auf die Windjammer, die unten kreuzten. Aus Schulzens Mund klang es wie ein Rückblick: „Im Herzen der Stadt ist Großes entstanden, und wir haben das Ziel erreicht …“.

Ende des Jahres wird der 56-Jährige sein Amt faktisch aufgeben, unbezahlter Urlaub, elf Monate lang. Amtsmüde? „Definitiv nicht“, beteuert Schulz: „Ich habe jede Menge Ideen, wie die Stadt sich weiterentwickeln könnte“. Als Oberbürgermeister an deren Umsetzung zu arbeiten, hat Schulz jedoch keine Lust mehr. „Nun sind die Havenwelten seit einem Jahr komplett“, stellte er vor den Gästen heraus. Der taz sagte er: „Man muss aufhören, wenn es am schönsten ist. Jetzt ist es so.“

Als Oberbürgermeister ist Schulz Beamter auf Zeit, gewählt für sechs Jahre, bis 30. November 2011. Andere, zuletzt Bundespräsident Horst Köhler, reichten in so einer Situation ihren Rücktritt ein. Auch Schulz hätte so handeln und seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis beantragen können. Für diesen Fall sieht die Kommunalverfassung Bremerhavens eine „Ersatzwahl“ vor – alles kein Problem. Schulz aber will nicht abtreten. „Ich habe nicht vor, mein Beamtenverhältnis vorzeitig zu beenden“, betont er. Deswegen die Beurlaubung.

Im Gegensatz zum Bund verfallen bei Beamten in Bremen die Versorgungsansprüche, wenn diese ihr Amt freiwillig niederlegen. Schulz würde zwar für seine geleisteten Dienstjahre nachträglich bei der Deutschen Rentenversicherung versichert. Die aber zahlt in der Regel weniger als der Staat – und erst bei Erreichen des Rentenalters. Bleibt Schulz dagegen formal im Amt, ob urlaubend oder nicht, hat er von Dezember 2012 an Anspruch auf Pensionszahlungen. Er wolle „normaler Ruhestandsbeamter“ werden, sagte er.

Unterdessen beschäftigt der Plan der Bremerhavener SPD, den Posten des Urlaubenden Stadtoberhaupts einfach ein zweites Mal zu besetzen, bereits die Bremer Kommunalaufsicht. Der Senat, der diese ausübt, hat eine Stellungnahme der Seestadt angefordert. Das mit der Prüfung beauftragte Innenressort hüllt sich noch in Schweigen, ein Termin für die Abgabe des Votums steht noch nicht fest.

Dessen ungeachtet will die Bremerhavener SPD bereits kommenden Mittwoch im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss der Stadtverordnetenversammlung die Wahl des Doppel-Oberbürgermeisters einleiten. Die Grünen haben angekündigt, dagegen zur Not vor Gericht zu ziehen.

Ihre Chancen dabei sind nicht schlecht. Paragraf 39 Absatz 1 der Kommunalverfassung Bremerhavens nämlich regelt die Wahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder, und der dritte Satz dort lautet: „Eine Wiederwahl ist frühestens sechs Monate vor Ablauf der Amtszeit zulässig“. Im Falle Schulzens wäre das also im Juni 2011.