Im Glauben fest

Nach dem 1:1 gegen Frankfurt: Mirko Slomka, Trainer des FC Schalke 04, hat im Gegensatz zu den Fans die Hoffnung auf den Gewinn der Meisterschale noch lange nicht aufgegeben. Sein Konzept scheint indes schon jetzt umstritten zu sein

AUS GELSENKIRCHENHOLGER PAULER

Torjäger dürfen das, vor allem wenn sie erfolgreich sind. Halil Altintop, der zu seinem Zwillingsbruder Hamit zurückgekehrte Angreifer des FC Schalke 04, wagte es doch tatsächlich in seinem ersten Bundesligaspiel, die Taktik seines Cheftrainers Mirko Slomka zu kritisieren: „Ich glaube, ein 4-4-2-System kommt meiner Spielweise eher entgegen“, diktierte Altintop seine dialektische Spielanalyse in die Kameras und Notizblöcke. Der Mann war unzufrieden, trotz oder vielleicht sogar wegen seines erzielten Tores. Slomka reagierte leicht irritiert. „Bei allem Respekt für Halil, auch er muss sich daran gewöhnen“, konterte der Trainer die Attacke seines Angreifers. Auf Schalke werde man auch in Zukunft dem System der drei Spitzen vertrauen.

Dabei hatte Halil Altintop die Argumente durchaus auf seiner Seite. Gegen die Eintracht aus Frankfurt reichte es für den selbst ernannten Titelkandidaten nur zu einem mageren 1:1. Bei aller schön anzuschauenden Offensivkraft des Schalker Spiels: Auch in der laufenden Saison zählen Tore und Punkte. Und da hatte Schalke zwei Zähler liegen gelassen. Was soll’s. „Wir wollen den Titel“, sagte Mirko Slomka, trotz des leicht verkorksten Saisonstarts. „Wir haben uns gut verstärkt, andere Ziele herauszugeben wäre doch unglaubhaft.“

Die Schalker Führungsetage hat Begehrlichkeiten geweckt. Und die Fans begannen mal wieder zu träumen – von der ersten deutschen Meisterschaft seit 1958. Doch es scheint zu sein wie immer in den vergangenen knapp 50 Jahren: Es wird wohl wieder nichts. Nur diesmal, glauben sie auf Schalke, haben sie schon am ersten Spieltag die Meisterschaft verspielt. Das kollektive Schalker Gedächtnis lässt sich halt nicht überlisten.

Anders sind die Pfiffe nach der spielerisch überzeugenden Leistung mit unglücklichem Ausgang nicht zu verstehen. Pfiffe, die weh taten. „Wenn die meinen, sie müssen das tun, bitte. Ich kann das auch nicht ändern“, sagte Kapitän und Torhüter Frank Rost. Am Gegentreffer von Ioannis Amanitidis in der 72. Minute war wenig zu machen, weitere Prüfungen blieben aus.

Dafür hätten Rosts Vorderleute für eine anhaltende Hochstimmung unter den Fans sorgen können. 60 Minuten lang dominierten sie die Gäste. „Wir hätten in der ersten Halbzeit ein, eigentlich sogar zwei Tore mehr erzielen müssen“, sagte Slomka. Am liebsten hätte er selbst seinen Teil dazu beigetragen. Er fuchtelte, tanzte, rannte an der Seitenlinie herum – bis er schließlich mit dem Frankfurter Albert Streit zusammenrasselte. Letztlich blieb beim Schalker Trainer eine blutende Nase zurück. Im doppelten Sinne.

Dem Brasilianer Lincoln blieb es vorbehalten, die Stimmung endgültig ins Negative kippen zu lassen. In den vergangenen Wochen hatte er bereits leise die Schalker Saisonvorbereitung kritisiert und sich einen Rüffel der Vereinsführung abgeholt. Am Samstag blieb er relativ unauffällig – bis zur 50. Minute, bis zur vermeintlich vorentscheidenden Sequenz des Spiels. Der bemühte Kevin Kuranyi wurde im Frankfurter Strafraum elfmeterreif gelegt. Mittelfeldregisseur Lincoln legte sich den Ball zurecht. Ein Raunen ging durch die Schalker Arena. Und Lincoln verschoss seinen dritten und vermutlich vorerst letzten Elfmeter in Serie: „Den nächsten wird ein anderer schießen“, sagte Slomka.

Die Schalker Überlegenheit war jedenfalls weg, Frankfurt erschlich sich einen Punkt. Wie das geschehen konnte, wussten sie selber nicht. „Wir haben nicht gut gespielt, keine Initiative gezeigt und Schalke zu viel Raum gelassen“, sagte Eintracht-Trainer Friedhelm Funkel. Nichts zu spüren von der typischen funkelschen Fußballverhinderung, der für Auge und Gemüt unerträglichen Defensivtaktik. Die Frankfurter versauten Gelsenkirchen das Fußballwochenende mit einem nahezu unverschämten 1:1. Und wahrscheinlich machte genau das die ganze Geschichte noch unerträglicher.

„Die Mannschaft hat eine hohe Qualität“, baute Sportdirektor Andreas Müller jeglicher Kritik vor – vor allem jeglicher Kritik an seiner Einkaufspolitik. Die Neuzugänge Halil Altintop und Per Lövenkrands überzeugten im Dreierangriff und sorgten dafür, dass Nationalspieler Gerald Asamoah zunächst einmal auf der Bank Platz nehmen musste. Dennoch wünscht sich Müller, dass das Team die „Leistung der ersten Stunde über einen längeren Zeitraum abrufen“ könne. Das sei der entscheidende Knackpunkt in Richtung Meisterschaft. Das saß. Gut möglich, dass sich Mirko Slomka in Zukunft mit einer mehrstimmigen Systemkritik auseinandersetzen muss.