Seitansbraten mit Klößen

FLEISCHERSATZ Besser als Tofu und vom heimischen Weizenfeld – Seitan erobert den veganen Westen. Wichtig als Proteinquelle, kann er für wenig Geld ohne weiteres zu Hause hergestellt werden

Ihren Ursprung hat die vegane Schuhsohle im buddhistischen Mönchsmilieu

VON HOLGER FRÖHLICH

Der eine oder andere Vegetarier wird das Gefühl kennen, dass das, was er da gerade isst, einfach nicht fleischlos sein kann, es aber zu gut schmeckt, um es sich einzugestehen. Eine Ausnahme bildet Seitan, eine im Westen noch recht unbekannte Alternative zu Tofu. Die Konkurrenz zum Bohnenkäse – wie man früher sagte – ist überfällig. Denn wenn Vegetarier unter sich sind, geben sie auch mal zu, dass Tofu zwar ganz nett ist aber eben doch kein rechter Fleischersatz.

Ganz anders Seitan. Ihren Ursprung hat die vegane Schuhsohle im Milieu der buddhistischen Mönche. So will es die Legende. Schon seit Jahrhunderten spendet Seitan dem asiatischen Vegetarier auch außerhalb der Klostermauern die benötigten Proteine.

Gerade die Eiweiß-Versorgung sollten Vegetarier im Blick behalten, verlieren sie doch mit dem Fleisch einen der gewichtigsten Proteinlieferanten für den Körper. Hülsenfrüchte, wie Erbsen und Linsen, sowie Soja sollten das bei einer ausgewogenen Ernährung zwar gut ausgleichen können, bieten aber nur mäßig Abwechslung.

Ihnen zur Seite gesellt sich der Seitan. Eine wahre Protein-Bombe, die fast ausschließlich aus Weizeneiweiß besteht. Der von Stärke befreite Gluten-Klotz schmeckt von sich aus nach gar nichts. Gewürzt kommt er dem Fleischerlebnis aber unheimlich nahe – ganz im Gegensatz zu Tofu.

Der Fleischersatz ist allerdings oft schwer zu bekommen, vor allem in strukturschwachen Gegenden. Außerdem ist er teuer. Da kosten 250 Gramm fertiger Seitan im Bio-Supermarkt schon mal doppelt so viel wie die gleiche Menge Schweinenacken.

Dabei kann Seitan ohne weiteres zu Hause hergestellt werden. So gering die Zahl der Inhaltsstoffe, so simpel ist die Herstellung dieses Zwei-Komponenten-Nahrungsmittels: Außer etwas Zeit braucht man für 500 Gramm Seitan nur ein Kilo Mehl und 650 Milliliter Wasser. Beim Mehl genügt die Type 405, Vollkorn würde ohnehin ausgewaschen.

Mehl und Wasser werden zu einem nudelteigartigen Brei geknetet, mit lauwarmem Wasser bedeckt und für eine halbe Stunde stehen gelassen. Unter behutsamem Drücken gibt der Mehlbrei anschließend seine Stärke ab und färbt das warme Wasser milchig. Die Stärkebrühe schüttet man durch ein feines Sieb, knetet die zurückgebliebenen Klumpen erneut zu Teig und wäscht sie mit der gleichen Prozedur wieder aus. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis sich das Wasser kaum mehr färbt.

Die Stärke ist nun vom Weizeneiweiß getrennt. Zurück bleibt eine schwammige Masse, die beim Zerreiben zwischen den Fingern keine körnige Struktur mehr zeigen darf. Der klebrig-feste Seitan kann jetzt nach Belieben geformt werden: Fladen für Schnitzel, Rollen für Braten, Stückchen für Geschnetzeltes.

Um dem rohen Seitan den neutralen Geschmack zu nehmen, kocht man ihn für wenige Minuten in einem stark gewürzten Sud auf. Man lässt ihn eine halbe Stunde köcheln und stellt den Seitan anschließend für zwei Tage in den Kühlschrank, damit er den Geschmack voll aufnehmen kann. Mit Gewürzen dürfte das halbe Kilo Seitan in Eigenproduktion nicht mehr als einen Euro kosten.

Die Herstellung ist zwar nicht kompliziert, kostet aber eine Menge Zeit. Wem das zu umständlich ist, der greift zum Instant-Weizenkleber. Ein Kilo Gluten kostet im Laden um die vier Euro. Das Pulver kann direkt gewürzt und mit Wasser geknetet werden. Das Auswaschen entfällt. Der Seitan wird in die gewünschte Form geschnitten, direkt im Sud gekocht und anschließend gekühlt.

Noch fester und feinporiger wird der Seitan übrigens, wenn er für 45 Minuten in einem luftdicht verschlossenen Gefrierbeutel zusammen mit der Marinade in kochendes Wasser gehängt wird. Auf diese Weise kann beinahe jedes Fleisch täuschend ähnlich ersetzt werden.