CHRISTIAN BUSSDER WOCHENENDKRIMI
: Paranoia-Szenario

Da hat die Rechtsabteilung des ORF wohl ihr Veto eingelegt. In diesem österreichischen „Tatort“ geht es um die Machenschaften einer Organisation, die frappierend an einen realen Religionskonzern erinnert, der erst vor Kurzem wieder durch den ARD-Film „Bis nichts mehr bleibt“ in die öffentliche Diskussion geraten ist – hier aber trägt er nicht den Namen Scientology, sondern Epitarsis. Das erspart, wie günstig, die bei Scientology-kritischen Medienbeiträgen unvermeidlichen juristischen Endlosschlachten. Das lädt die Macher aber auch, weil das reale Vorbild nicht genannt wird, zu einigen heillos übertriebenen Ausschmückungen ein.

Eine Studentin wurde ermordet; die Spuren führen in die Wiener Glas-und-Stahl-Festung von Epitarsis, wo die nationale Chefin des Konzerns ihre Schäfchen nach gelungener Gehirnwäsche von Videokameras und Sektenschergen überwachen lässt. Sonderermittler Eisner (Harald Krassnitzer) rastet angesichts der zynischen Verlautbarungen der Chefin aus und bekommt Ärger mit den eigenen Vorgesetzten – von denen einige offensichtlich ebenfalls mit Epitarsis verbandelt sind.

So ist „Glaube, Liebe, Tod“ (Buch: Lukas Sturm, Regie: Michael Riebl) ein echtes Paranoiaszenario geworden – das einer immer noch berechtigten, ernsthaften Diskussion um Scientology allerdings entgegenläuft. Zeigte Niki Steins „Bis nichts mehr bleibt“ gekonnt den diskreten Charme der Indoktrinierung auf, mit dem der Konzern seine Mitglieder gefügig und abhängig zu machen versteht, geht es hier zu wie in einem gut gemeinten Sektenschocker aus den achtziger Jahren: Die Epitarsis-Jünger agieren wie auf Valium, und die von der eigentlich großartigen Victoria Trauttmansdorff verkörperte Sektenchefin zeigt andauernd ein Gefrierbrandlächeln.

So plump fängt man aber nicht mal die verzweifeltsten Seelen unserer gottlosen Gegenwart ein.

Österreich-„Tatort“: „Glaube, Liebe, Tod“; So., 20.15 Uhr, ARD