Idyll am Abgrund

Die SAGA will alte Häuser am Donnerspark abreißen. Aber die Bewohner sind eine eingeschworene Gemeinschaft und wollen nicht weichen. Jetzt soll der Altonaer Bauausschuss entscheiden

von PHILIPP RATFISCH

Deutlicher könnte der Kontrast wohl nicht ausfallen: Wer Neumühlen entlang Richtung Övelgönne läuft, dem sticht auf der linken Seite eine Reihe von kastenförmigen Neubauten aus Glas und Stahl ins Auge. Verschiedene Unternehmen haben sich hier in den letzten Jahren niedergelassen und teilen ihren Sitz mit exklusiven Bars und Restaurants. Es ist das neue Hamburg, eine moderne und schicke, vielleicht etwas sterile Hansestadt, die sie verkörpern. „Perlenkette“ taufte der Volksmund diese teure Meile am Elbufer.

Auf der anderen Seite der Straße ein ganz anderes Bild: Erst einige Hundert Meter üppig grüne Parkanlagen, dann plötzlich eine mit Graffiti besprühte Mauer. Darüber, an einem kleinen Hang, ein paar zwei bis dreigeschossige Wohnhäuser. Verwinkelt stehen sie zueinander, die Gebäude an der Elbtreppe wirken etwas verträumt, idyllisch umrahmt vom Grün der Bäume. Sie sind ein Überbleibsel des alten Hamburg, wurden im 19. Jahrhundert als Unterkünfte für die Hafenarbeiter errichtet. Die Mieten sind dementsprechend niedrig. Im vordersten Haus befand sich einst die legendäre Irish-Folk-Kneipe „Die Zwiebel“. Der Bebauungsplan beschreibt die Gebäude als „städtebaulich einzigartiges Ensemble“.

Doch die SAGA möchte die Häuser Nr. 15 a bis c und 5 abreißen und an ihrer Stelle neue Wohnhäuser bauen. „Wir müssen etwas tun, weil die Häuser teilweise marode und einsturzgefährdet sind“, sagt Sprecher Mario Spitzmüller.

Karsten Schnoor hält das für ein vorgeschobenes Argument. Der 50-Jährige vertritt die Mietergemeinschaft der Elbtreppen-Häuser. Gemeinsam haben die etwa 30 Bewohner ein Gegengutachten in Auftrag gegeben. Ergebnis: Das drohende Absacken eines der Gebäude könne leicht verhindert werden. Auf 5.000 Euro schätzt der befragte Experte die anfallenden Kosten. Darüber hinaus wirft Schnoor der SAGA vor, die nötigen Sanierungsarbeiten jahrelang hinausgezögert zu haben. „Die hat die Gebäude gezielt verkommen lassen“, ist er sich sicher. „Die haben nicht mal das Nötigste gemacht.“

Spitzmüller wehrt ab: „Reparaturen haben wir durchgeführt.“ Eine Grundsanierung würde jedoch wegen der hohen Kosten zu starken Mietsteigerungen führen. „Unterm Strich bringt ein Neubau billigere Mieten“, so der Sprecher. „Zudem wird es so deutlich mehr Wohnfläche geben.“

Susanne Gerriets, die ebenfalls an der Elbtreppe wohnt, weist darauf hin, dass die derzeitigen Mieter wohl nicht in die Neubauten ziehen könnten. Laut Spitzmüller sollen die neuen Mietpreise bei etwa zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter liegen. „Das können wir uns dann einfach nicht leisten“, so Gerriets. Derzeit zahlen die Bewohner zwischen vier Euro und 6,50 Euro.

„Wir machen unseren Mietern Angebote für alternative Wohnungen in der Nähe“, sagt SAGA-Sprecher Spitzmüller. „Die können im Stadtteil bleiben.“

Karsten Schnoor bestreitet das: „Bis auf einer Familie ist keinem von uns mündlich oder schriftlich ein konkretes Wohnungsangebot gemacht worden.“ Doch ein solches Angebot hätten sie wohl ohnehin nicht angenommen. Hans-Peter Gerriets, seit zwölf Jahren ebenfalls Mieter, bestätigt: „Da will keiner weg. Das ist eine super Gemeinschaft hier.“

Die Bewohner wollen die Gebäude nun kaufen. Ob sie damit Erfolg haben werden, ist allerdings ungewiss. Am 22. August tagt der zuständige Bauausschuss des Bezirks Altona. Schnoor erwartet, dass dort die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Häuser gefällt wird.

Sollte die SAGA die Gebäude abreißen, wird wohl auch auf dieser Seite der Straße das alte dem neuen Hamburg weichen.