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Kanonenfutter für al-Qaida

BKA durchsucht „Süddeutsche Zeitung“: Schnappt die Terror-Falle in München zu?

Es begann am 12. August 2006 mit einer privaten Bekanntschaftsanzeige in der Süddeutschen Zeitung: Ein „attraktiver, schlanker, 178 cm großer, eher südländischer, erfahrener Mann im besten Alter“ suchte eine „äußerst anpassungsfähige und devote junge Dame“, was an sich nichts Ungewöhnliches ist: Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts werden auf diesem Wege jährlich dutzendweise zwischenmenschliche Kontakte angebahnt. Dem BKA stach nur das grafische Symbol einer Bombe mit brennender Lunte ins Auge. Dies und die anspielungsreiche Überschrift „Stehst Du dazu und darauf?!“ versetzten die Terror-Fahnder in höchste Alarmbereitschaft.

„Wenn Du verstanden hast, um was es geht, attraktiv und entsprechend veranlagt bist, dann erwarte ich Deine Bewerbung mit Foto!“ hatte der nach eigener Aussage „eher südländische“ Inserent inseriert. Der Verdacht, dass die Betreiber des Terrornetzwerks al-Qaida hier unter dem Deckmäntelchen einer scheinbar harmlosen Partnerschaftsannonce gezielt „äußerst anpassungsfähige“ und „devote“ junge Damen als Kanonenfutter rekrutieren und mit ihnen den in Großbritannien befürchteten „Plan B“ (wie „Bekanntschaftsanzeige“) ausführen wollten, lag auf der Hand – doch in der Anzeigenannahmestelle verweigerte man dem BKA den Einblick die Kundenkartei: Da könne, hieß es, „ja jeder kommen“.

So blieb den Beamten nichts anderes übrig, als die Süddeutsche Zeitung nach weiteren verdächtigen Anzeigen zu durchsuchen. Ergebnis: Fehlanzeige. Zur Fahndung ausgeschrieben ist inzwischen ein attraktiver, schlanker, 178 Zentimeter großer, eher südländischer, erfahrener Mann im besten Alter, der seinerseits eine äußerst anpassungsfähige und devote junge Dame zwischen 35 und 42 Jahren sucht. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.

Pfiffiger wirkt jedoch der von Bayerns Innenminister Günther Beckstein ausgeheckte und gestern auf einer Pressekonferenz in München dargelegte Plan, den Inserenten mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen: Mehr als einhundert Kriminalpolizistinnen zwischen 35 und 42 Jahren haben sich mittlerweile brieflich, mit Lichtbild und Lebenslauf, um einen persönlichen Kontakt zu dem geheimnisvollen Anzeigenauftraggeber beworben.

Nach Auskunft der Anzeigenannahmestelle der Süddeutschen Zeitung kann es noch „einige Tage dauern“, bis man ihm die eingegangenen Bewerbungsschreiben zustellen werde. Nun wartet ganz Deutschland, ja, die gesamte globale Dorfpolizei interessiert auf die Reaktion des Verdächtigen: Wird er den „Braten“ riechen? Oder blindlings in die aufgestellte Falle tappen? Terror-Experten des In- und Auslands bezeichnen Becksteins Schachzug bereits als „genial“ (Eckart von Klaeden) und „shmoov“ (Kommissar Hunter). Beckstein selbst, ein eher süddeutscher, erfahrener Politiker im besten Alter, wiegelt bescheiden ab, sucht aber jetzt schon für sein Buch „Mein Bin-Laden-Schlussstrich“ einen äußerst anpassungsfähigen und devoten Ghostwriter. Wer entsprechend veranlagt ist, kann sich bewerben.

GERHARD HENSCHEL

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