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Post aus Nahost (15): Iman Humaidan Junis fragt sich, was die israelischen Angriffe im Libanon ausgelöst haben

Was hat Israel uns angetan? Und was war es, das Israel eigentlich erreichen wollte?

Israel griff uns an, um die Hisbollah loszuwerden. Ich kann nicht sagen, ob Israel die Hisbollah auch getroffen hat. Aber sicher ist, dass es alle Libanesen getroffen hat. Israel hat verloren, nicht nur was seine militärischen Ziele betrifft: Tausende von Libanesen, die zu Friedensgesprächen mit Israel bereit waren, werden nun die israelischen Motive in Frage stellen. Sie werden sich fragen, ob Israel reif für einen Frieden ist.

Lasst uns einen Monat zurückblicken: Die unterschiedlichen Interessengruppen im Libanon waren bemüht, einen inneren Frieden zu erreichen. Der Hisbollah wurde dabei vorgeworfen, weder die Chance auf einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen noch den Libanesen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Einige bezeichneten die Hisbollah sogar als Stellvertretertruppe Irans und Syriens.

Vor dem 12. Juli begannen die Hisbollah und andere libanesische Gruppen einen Dialog. Die Entwaffnung der Hisbollah war eines der Hauptthemen. Diese Debatte war bahnbrechend für die libanesische Politik, die lange Zeit vieldeutig und wenig transparent gewesen war. Denn der Libanon litt jahrzehntelang unter der Abwesenheit eines politischen Lebens; während der 30-jährigen syrischen Besetzung wurde die Politik in Damaskus gemacht und danach in Beirut bloß noch umgesetzt.

Die israelische Aggression gegen den gesamten Libanon hat jedoch alle, die den Gebrauch der Hisbollah-Waffen in Frage gestellt hatten, dazu gebracht, die Hisbollah als notwendig für die nationale Selbstverteidigung zu betrachten. Sie hat die Libanesen dazu gebracht, die Diskussion über die Bewaffnung der Hisbollah hintanzustellen und einen nationalen Konsens herbeigeführt.

Seit heute Morgen ist Waffenstillstand im Libanon. Jetzt ist die Zeit zu trauern und nachzudenken. Es ist Zeit, unsere unschuldigen Toten zu begraben, die immer noch unter Ruinen liegen. Es ist Zeit, das Ausmaß unserer Verluste zu begreifen und zu versuchen, darüber hinwegzukommen. Es ist Zeit, die Bedürfnisse hunderttausender Vertriebener zu befriedigen, die sehnsüchtig darauf warten, nach Hause zu kommen. Und es ist Zeit, den inneren Frieden zu sichern und wieder unabhängige Entscheidungen zu treffen.

Bis jetzt waren wir Libanesen in der Lage, einen erwarteten inneren Konflikt zu vermeiden. Entschuldigt, ihr amerikanischen Nahostexperten! Ich glaube, ihr müsst uns noch mal ganz neu studieren. Eure Erwartungen waren falsch.

Iman Humaidan Junis (Beirut) schreibt im Wechsel mit Ron Kehrman (Haifa) aus dem Kriegsgebiet. Aus dem Englischen von Michael Zimmermann