Zurück nach Hause

Post aus Nahost (16): Die Waffen stehen still, und Ron Kehrman kehrt heim – ohne genau zu wissen, wohin

Ich befinde mich an Bord eines Flugzeugs auf dem Weg nach Hause. Ein Zuhause wird immer ein Zuhause sein, sogar während schwieriger Zeiten – und dieses ist eine schwierige Zeit. Oder war es nur eine schwierige Zeit? Sollte man sich schon für die Waffenruhe bedanken?

All die Zeitungen, die ich gelesen habe, beschäftigen sich mit dem kommenden Waffenstillstand: große Fotos der gewaltigen Zerstörungen in den letzten Kriegsstunden, gefolgt von den Fragen: Wird der Waffenstillstand tatsächlich beginnen? Und wie lange wird er dauern? Bevor wir das Flugzeug besteigen durften, mussten wir uns unzähligen Sicherheits-Checks unterziehen. Wir sind die strikten Sicherheitskontrollen gewohnt, aber dieses Mal war es am schlimmsten. Die Nachrichten über mögliche Bombenattentate auf Passagiermaschinen vor einigen Tagen haben sogar die Behörden in Panik versetzt; sogar das Parfum und der Lippenstift meiner Frau wurden beschlagnahmt.

Ich ahne: Das Leben im dritten Jahrtausend hat seinen Preis, und wir alle bezahlen ihn Tag für Tag. Das unterstreicht, dass wir – die freie Welt – in unserem Kampf gegen den Terror zusammenhalten müssen, wollen wir das Leben, das wir wertschätzen, fortsetzen.

Plötzlich ertappe ich mich, wie ich mich mit globalen Fragen beschäftige; nun, ich bin gerade hoch über den Wolken und weiß nicht, wohin ich nach Hause komme. Meine letzten Informationen sind aus einer Zeitung von gestern. Außerdem weiß ich nicht einmal, ob der Zug nach Haifa nach Fahrplan oder überhaupt fährt. Eine der Raketen von Freitag war ein paar Meter neben den Bahngleisen eingeschlagen …

Es ist sechs Uhr nachmittags und ich bin zu Hause. Der Zug ist nach Fahrplan gefahren. Er war voll von Kindern und Passagieren auf dem Heimweg aus ihrem erzwungenen „Kriegsurlaub“. Die Menschen kehren, so schnell sie können, zu ihren Häusern zurück. Die, die Glück hatten, müssen ihre Häuser nur säubern, während die anderen sie wieder aufbauen müssen – das gilt für beide Seiten der Grenze.

Jetzt werden uns wohlvorbereitete Politiker erklären, was sie bei diesem Sieg für uns rausgeholt haben. Ich weiß nicht, wer in diesem Krieg den Sieg für sich beanspruchen darf. Aber ich weiß, wer ihn verloren hat: wir, die Menschen, die Völker auf beiden Seiten der Grenze.

Mit den besten Grüßen an meine Leser verabschiede ich mich aus Haifa. Und solange man sich ihrer erinnert, wird sie weiterleben: www.tal-smile.com

Ron Kehrman (Haifa) schrieb im Wechsel mit Iman Humaidan Junis (Beirut) aus dem Kriegsgebiet. Wegen der aktuellen Entwicklung schließen wir die „Post aus Nahost“ hiermit ab, einstweilen und hoffentlich. Aus dem Englischen von Michael Zimmermann