Sommerfrische (V)
: See ohne Badevergnügen

Es war Sommer, und ich war verliebt. Nach einem zögerlichen Start wollten wir nun einen Tag mit einem Ausflug verbringen, und ich freute mich wie ein Kind auf Weihnachten. Den Schalsee in Mecklenburg-Vorpommern hatte ich von einem früheren Besuch als naturbelassen und entsprechend romantisch in Erinnerung. Picknickdecke, Erdbeeren und Sekt eingepackt – mein Glück war perfekt.

Wenn man von der Autobahn Richtung Schaalsee abfährt, landet man zunächst in Zarrentin. Der Ort am See war so idyllisch, wie ich ihn in Erinnerung hatte: Knarzende Stege führten weit ins Wasser hinein, windschiefe Holzhütten säumten das Ufer, daneben qualmte es aus einer Aalräucherei. Die Stege verführten zum Kopfsprung in den See, allein: Das Betreten war untersagt – sie waren privat. Um ins Wasser zu gelangen, gab es noch eine offizielle Badestelle. Aber von einer abgetretenen Rasenfläche mit Kinderrutsche und Pommesbude hatten wir nun wirklich nicht geträumt. Wir entschieden uns, weiterzuziehen.

Ohne es zu merken, hatten wir uns damit ein unlösbares Problem aufgebürdet. Zunächst landeten wir am Rande einer stark bewaldeten Bucht, die nicht nur absolut schattig war. Eine undurchdringbare Wand aus Schilf versperrte den Zugang zum Wasser. Mein Freund aber war fest entschlossen, das Ufer bis zu einer Badestelle abzuwandern, und so liefen wir in den Wald. Es war mühsam. Der Boden war von dichtem Gestrüpp überwuchert, und es surrten so viele Mücken herum, dass wir pausenlos um uns schlagen mussten. Unsere Zuversicht, noch auf das Paradies zu stoßen, schwand immer mehr. Als wir schließlich eine Stelle fanden, die immerhin ausreichend Platz für unsere Decke bot, schlug mein Freund vor, einfach dort zu bleiben. Ich gab mich geschlagen und ließ mich neben ihn fallen – um wenige Sekunden später entnervt wieder aufzuspringen. Die Mücken hatten meinen Rücken so bearbeitet, dass er aussah wie bei einer akuten Windpocken-Infektion.

Also gingen wir zurück. Wir setzten uns ins Auto und fuhren um den See herum, bis wir in einem kleinen Ort eine wunderschöne Stelle entdeckten: Neben einem Haus führte ein schmaler Pfad zum Ufer, dort ragte ein von Büschen verdeckter Steg ins Wasser und ein „Privat“-Schild gab es – nicht. Endlich. Wir zogen uns bis auf die Badesachen aus. Die Mühe, eine Decke unter uns auszubreiten, machten wir uns gar nicht erst. Wir widmeten uns ganz uns selbst – als wir plötzlich von einem forschen „Hallo“ aus dem Traum gerissen wurden. Ein kleines Mädchen stand direkt vor uns und blickte neugierig auf uns herab. Was wir denn hier machen würden? Mein Freund floh mit einem Kopfsprung ins kalte Nass. Es sollte unser letzter Sommerausflug bleiben. EE