WENN MAN MEINT, ES FEHLT WAS, DANN GEHT ES OFT UM DIE GROSSE POLITIK – ODER DAS, WAS WIR DAFÜR HALTEN SOLLEN
: Schön, sind Sie weg vom Fenster!

JOSEF WINKLER

Schön, sind Sie hier!“ Wie? Ja, komisch, gell? Da meint man, es fehlt was. Auf dergestalt yodaeske Art wurde ich letztens als Vorbeizappender von einer schweizerischen Fernsehmoderatorin in Ihrer Sendung begrüßt – wobei die mich wohl eh gar nicht gemeint hat, haben wir es doch seit Kurzem schriftlich, dass die Mehrheit der Schweizer es gar nicht sooo schön findet, wenn gar zu viele Nichtschweizer „hier“ sind.

Das muss ja unseren Bundespräsidenten ganz fest grämen, den Größten Anzunehmenden Uck, der findet ja bekanntlich alles so total supi, wo „frei“ drin ist. Freiheit. Freibier. Freizügigkeit eben auch. Freie Schussbahn für deutsche Waffen und Soldaten. Und, wie er in seiner unnachahmlichen Manier, wo man auch immer meint, es fehlt was, in ein Mikro der Münchner SiKo salbaderte: Freihandel. Weil der den Wohlstand mehrt. Sagt der Gauck und wirkt dabei – zumindest auf mich, mit Verlaub – wie der schon leicht demente Großonkel, der was daherlabert, was er selber eh nicht mehr kapiert, aber von dem er ahnt, dass es die schurkische Nichte gern hört, die ja von Anfang an dagegen war, ihn wieder aus dem Heim zu holen.

Ja, der Freihandel. Man kann’s an der Gewichtung in den Nachrichten ja nicht ganz ablesen – was finden denn Sie persönlich bestürzender: Dass Evi Sachenbacher-Stehle Dope gegessen hat oder dass unsere Bundesregierung und die EU dabei sind, uns und die Zukunft unserer Kinder (entschuldigen S’ scho‘, wenn ich hier mal kurz pompös werde) mit Haut und Haaren an den globalen Horrorkapitalismus zu verkaufen und wir nichts davon wissen dürfen und noch weniger dagegen tun können?

Nein, wir sollen uns jetzt lieber mal die Reality Soap „Affäre Edathy“ reinziehen und schön glauben, das sei jetzt das, was grad „in der Politik los ist“, und schon wird geraunt, ob diese Regierung überhaupt „handlungsfähig“ ist! Also, handlungsfähig genug auf jeden Fall, um uns kollektiv ins Knie zu ficken und den Genmais durchzuwinken. Das Gute an der „Affäre“ ist ja, dass sich dadurch ein Anlass gefunden hat, den unglaublichen Menschen und Politiker Hans-Peter Friedrich aus der Regierung zu entfernen. Wer noch nicht in den surrealen Abgrund von dessen Post-Rücktritt-Interview im „ZDF Morgenmagazin“ geblickt hat, sollte das unbedingt nachholen, schon aus Gründen der Staatsbürgerkunde.

Dienstag Deniz Yücel Besser

Mittwoch Martin Reichert Erwachsen

Donnerstag Ambros Waibel Blicke

Freitag Michael Brake Nullen und Einsen

Montag Anja Maier Zumutung

Frage an den Presserechtler: Wenn einer als Ex-Bundesinnenminister so was daherredet und man will so wohlwollend sein und daraus nicht direkt die naheliegende Schlussfolgerung ableiten, dass er eben ein Agent des Bösen ist, darf man dann als, hüstel, Publizist zumindest mal die Mutmaßung anstellen, dass er vielleicht einfach ein bisschen dumm ist? Nicht auf der Höhe? Unterbelichtet? Oder wäre das dann immer noch justiziabel und man muss es weiterhin so formulieren, dass er „glücklos“ ist und sich „als Minister nicht profilieren konnte“? Na gut. Es ist mir ein persönliches Pläsier, dass der aus meiner Sicht bemerkenswert glücklose Hans-Peter Friedrich nicht mehr Bundesminister ist. Schön, haben Sie hoffentlich ein Ermittlungsverfahren am Hals!