hamburger szene
: Das Gesicht von James Dean

Kurz vor Ladenschluss an der Kasse bei Plus an der Hoheluftbrücke beugt sich ein Mensch über das Sonderposten-Regal. Es ist eine Frau. Vielleicht aber auch nicht. Kundschaft und Kassierer wechseln bedeutungsschwangere Blicke, einigen sich jedoch schließlich in dieser heiklen Geschlechterfrage: 200 Kilo Frau tragen einen extravaganten Filzüberwurf in Ponchooptik und schwarze Haare, zu einem lockeren Pferdeschwanz über den massigen Rücken gebunden.

Eine verstörende Aura umgibt sie wie der Duft von Mottenkugeln. Ihr Habitus ist der einer zweitklassigen Drag-Queen. Die Wahrheit ist jedoch eine andere: John Godman und Roseanne, das ewig streitende Ehepaar aus der amerikanischen Prolo-Sitcom, hat sich endlich vereint und einen Körper gefunden, in dem esseine böse Seite ausleben kann.

Während sich hinter ihr die Feierabendeinkäufer drängen, vergraben sich fleischige Finger in den Waren. Mit einem diabolischen Lächeln legt sie ein Mückenspray zu Vollkornbrot und fettarmer Milch auf das laufende Band. Noch zwei Minuten bis Ladenschluss. Ein Kaffeeservice kommt dazu. Auf den Tassen und Tellern prangt das Gesicht von James Dean. Der Kassierer zieht das Spray über den Scanner. Plötzlich will sie es nicht mehr haben, lässt es fallen. Storno. James Dean in Porzellan. 9,99 Euro. 20 Uhr. Sie wischt ihre Hände am Poncho ab. „Das wollte ich auch nicht,“ säuselt sie, grinst. Abgang, hingelegt mit der Anmut einer Lavalampe. LUCAS VOGELSANG