unterm strich
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Merkwürdige Form von Ablasshandel: Der Bund der Vertriebenen hat Günter Grass aufgefordert, die Einnahmen aus seiner Autobiografie „Beim Häuten der Zwiebel“ vollständig an Nazi-Opfer in Polen zu spenden. Die Vorsitzende Erika Steinbach äußerte diesen Vorschlag in der Bild-Zeitung. Das Geständnis des Schriftstellers, dass er als Soldat bei der Waffen-SS war, komme zwar dem Verkauf seines Buchs zugute, er beschädige damit aber das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen. „Als Geste der Versöhnung sollte er die Einnahmen aus dem Verkauf seines Buches komplett für die Opfer des Nationalsozialismus in Polen spenden“, forderte Steinbach. Die Politikerin selbst steht in Polen in der Kritik – aktuell wegen der Berliner Ausstellung zur Vertreibung. Nicht zuletzt fragt man sich, wen sie denn mit den Opfern meint. Etwa die Vertriebenen? Oder will sie mit dem Vorschlag vor allem bei ihren polnischen Kritikern gut Wetter machen, die teilweise die Rücknahme von Ausstellungsobjekten erwirken, die aus polnischem Besitz ausgeliehen wurden.

Eingemischt in die Grass-Debatte hat sich jetzt auch der polnische Friedensnobelpreisträger Lech Wałesa. Er hat am Freitag mit der Rückgabe seiner Ehrenbürgerwürde der Stadt Danzig (Gdansk) gedroht, falls Grass nicht freiwillig auf seine dortige Ehrenbürgerschaft verzichtet. „Ich will auf die Ehrenbürgerschaft verzichten, weil ich mich nicht in der Lage sehe, an der Seite von Grass Ehrenbürger zu sein“, sagte Wałesa (63) im polnischen Nachrichtensender TV N24. Grass lehnt einen solchen Schritt jedoch ab.

Die Europastadt Görlitz/Zgorzelec denkt zudem darüber nach, ihre geplante Auszeichnung des Literaturnobelpreisträgers mit dem „Brückepreis“ zurückzuziehen.