Reisende mit Fahrziel Terror

Das BKA sucht zwei „südländisch aussehende“ Verdächtige, nur handwerkliche Mängel sollen ein Blutbad verhindert haben

Die Waggons hätten als „Feuerball“, angefacht durch eine Flasche Propangas, in Flammen aufgehen können

AUS WIESBADEN HEIDE PLATEN

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat gestern Nachmittag zusammen mit der Bundesanwaltschaft zur Fahndung nach zwei „südländisch aussehenden“ Verdächtigen aufgerufen. Gegen beide Männer wird wegen Mitgliedschaft in einer inländischen, terroristischen Vereinigung und des Versuchs eines Sprengstoffattentates ermittelt. Sie sind verdächtig, die am 31. Juli auf den Bahnhöfen in Dortmund und Koblenz in zwei Trolleys gefundenen Brandsätze gebaut und in zwei Regionalzügen deponiert zu haben.

Sie hätten auch, so BKA-Präsident Jörg Ziercke, vorgehabt, die Bomben zur Explosion zu bringen, denn diese seien tatsächlich beide mittels Schaltung durch je einen gelbgrünen Kinderwecker, Marke „Little Star“, die zeitgleich auf 13.30 Uhr eingestellt waren, gezündet worden. Nur seien sie „wegen handwerklicher Fehler“ nicht explodiert. Die Folgen wären, so Griesbaum, unabsehbar und ein möglicherweise „ein Blutbad“ gewesen. Die Waggons hätten als „Feuerball“, angefacht durch Propangas und einen in Limonadenflaschen abgefüllten Brandbeschleuniger, in Flammen aufgehen und zahlreiche Menschen verletzten oder gar töten können.

Beide Trolleys waren vom Zugpersonal gefunden und in die Gepäckaufbewahrung gebracht worden. Einer sei bereits zwei Stunden danach untersucht worden, der andere erst am nächsten Tag. Die Behörden präsentierten ein Video mit Aufnahmen der Rolltreppe und des kameraüberwachten Gleises 3 des Kölner Hauptbahnhofes. Dort seien die beiden, gegen die wegen ihres Gepäcks und ihres „konspirativen Verhaltens“ ein „Anfangsverdacht“ bestehe, nacheinander im Abstand von wenigen Minuten in die Züge nach Koblenz und Hamm gestiegen.

Bisher sei ihre Identität nicht bekannt: „Wir haben sie nur visualisiert, aber nicht identifiziert.“ Die leicht verschwommenen Aufnahmen, die in Zeitlupe vorgeführt wurden, zeigen einen dunkelhaarigen Mann mit weißem Hemd, der einen Trolley und eine Umhängetasche trägt, am Gleis entlanggeht und in einen Zug einsteigt. Sein vermuteter Komplize kommt kurz nach ihm, ebenfalls mit einem Trolley, außerdem mit einem großen Rucksack mit Iso-Matte beladen. Er geht in die Gegenrichtung, setzt sich auf eine Bank und wartet auf den nächsten Zug. Er trägt ein auffälliges, weißes T-Shirt mit einer großen „13“ auf dem Rücken und hat längere Haare. Beide Trolleys seien, schließe man aus der Körpersprache, „sehr schwer gewesen“. Sie hätten vermutlich wegen der darin verstauten beiden Propangasflaschen, eine rot, eine grau, rund 25 bis 30 Kilo gewogen.

Die Orangenlimonadenflaschen für den Brandbeschleuniger seien Massenware und seien bei Aldi Süd erstanden worden. Das Video ist seit gestern im Internet (www.bka.de) zu sehen. Außerdem werden an vielen Plätzen und Bahnhöfen Fandungsplakate ausgehängt. Deutsche Bahn und Polizei haben gemeinsam eine Belohnung von bis zu 50.000 Euro ausgesetzt.

Ziercke schloss gestern einen terroristischen Hintergrund nicht aus. Möglicherweise hätten die Täter „Signale setzen wollen im Hinblick auf den Konflikt im Nahen Osten“ und durch diese „massive Drohgebärde“ auch „potenzielle Menschenopfer in Kauf genommen“. Die Fahnder folgern diesen Zusammenhang aus dem Inhalt der beiden Gepäckstücke. In einem wurden zwei flache Plastiktüten mit einer Speisestärke gefunden, die englisch und arabisch beschriftet sei und im Libanon hergestellt werde. Sie sei mit einem Extra-Papieraufkleber „starch“ versehen. Von diesen Tüten habe der Importeur nur rund 200 Stück nach Deutschland an einen Gewürzhändler im Großraum Essen geliefert, der vor allem libanesische Kundschaft beliefere.

Die Polizei bitte die Käufer, sich „vertraulich“ zu melden, um sie „von einem Generalverdacht“ ausschließen zu können. Weiteres Indiz sei ein Zettel mit handschriftlichen arabischen Notizen. Die Übersetzung, die der Leiter der Sonderkommssion, Sinan Selen, vortrug, lautet: „Oliven, Mischbrot, Joghurt“. Bei dem Joghurt handele es sich ebenfalls um ein Produkt, dass im Libanon gern gegessen werde. Die Stärketüten hätten zwar nichts mit dem Brandsatz zu tun. Dass sie aber in das Gepäck gelegt worden seien, um eine falsche Spur zu legen, schließen die Ermittler aus.

Ziercke nannte die vereitelten Anschläge zwar „dramatisch“ und in Deutschland „bisher einmalig“. Auch bestehe weiterhin Gefahr, aber es gebe „keinen Anlass zu Panik“. Die Unterschiede zu den Attentaten auf die U-Bahnen und Busse in Madrid und London seien „signifikant“. Weder seien vollbesetzte Verkehrszüge betroffen gewesen noch die Hauptverkehrszeit. Außerdem hätten die Bomben erst kurz vor den Endstationen „auf freier Strecke“ detonieren sollen und seien von einfacherer Machart. Beide Verdächtigen seien keine „Suizid-Attentäter“, sondern hätten entkommen wollen. Ausgewertetes, aber bisher nicht veröffentlichtes Videomaterial zeige, dass sie auf der Strecke auch wieder ausgestiegen seien. Allerdings sei das Attentat nicht nur als eine Warnung gedacht gewesen, sondern wegen der zwar vergeblichen, aber dennoch erfolgten Zündung „sehr ernst zu nehmen“. Welche Fehler die Täter gemacht hätten, wolle er allerdings nicht verraten: „Ich will hier keine Tipps für die Zukunft geben.“