DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Der Kokser von Kempten

NICHT HINGESEHEN? Der Leiter des Rauschgiftkommissariats Kempten soll in seinem Spind 1,5 Kilogramm Koks gebunkert haben – völlig unbemerkt

Mit Giftlern kennt die bayerische Polizei kein Pardon. Wer im Freistaat mit Drogen erwischt wird, und seien es nur ein paar Krümel Gras, der muss büßen.

Ausgerechnet bei einem hochrangigen Polizisten hat die Abschreckung offenbar nicht geklappt: Der Leiter des Rauschgiftkommissariats Kempten soll 1,5 Kilogramm Koks gebunkert haben.

Nach Recherchen der Augsburger Allgemeinen sitzt der Beamte seit über einer Woche in Haft. Zuvor habe er sich zuhause mit seiner Frau gestritten, sie womöglich geschlagen. Sie rief deshalb die Polizei. In seinem Spind fand man das Rauschgift im Wert von einer viertel Million Euro. Die Staatsanwaltschaft München bestätigte, dass ein Polizist wegen Drogenbesitzes in U-Haft sitzt. Zu den weiteren Spekulationen äußerte sie sich nicht.

Demnach kamen Ermittler aus Neu-Ulm im Allgäu Mafiabanden auf die Schliche – bis sie unter mysteriösen Umständen versetzt wurden. Weil sie Geschäfte des Kemptener Drogen-Kommissars gefährdeten?

„Eigengebrauch gilt bei einer derartigen Menge als unwahrscheinlich“, folgerte die dpa messerscharf. Dass der Mann die kompletten 1,5 Kilo selbst schnupfen wollte, erscheint tatsächlich abwegig. „Nur ein Einzelfall“, verkündete die Polizeigewerkschaft vorsorglich. Nun müssen sich Deutschlands schärfste Drogenfahnder die Frage stellen, warum sie den Haufen Koks nur fanden, weil ihr Chef seine Frau geschlagen hat – und womit sie selbst derweil zugange waren. TOBIAS SCHULZE