Unsere magischen Momente

STERNE Die Spiele von Sotschi sind beendet, die Erinnerungen an sie werden verblassen. Nur die strahlendsten Sieger und die ganz persönlichen Schicksale werden sich in unser Gedächtnis einprägen. Jetzt schon! Lesen Sie selbst. Diese OlympionikInnen wollen wir auch in Pyeongchang wiedersehen

Carina Vogt (Skispringen): Mit Carina Vogt hatte keiner gerechnet, nicht mal sie selbst. Als feststand, dass sie die erste Olympiasiegerin im Skispringen geworden war, sank sie zu Boden und weinte. Das berührte – insbesondere die Zuschauer in Vogts Heimatstadt Schwäbisch Gmünd. Dort standen vergangenen Samstag 4.500 Menschen auf dem Marktplatz und jubelten der 22-Jährigen zu. Sie wirkte so unsicher wie nach ihrem Gold-Sprung in Sotschi. SB

Timothy Oshie (Eishockey): Fünfmal war T. J. Oshie im Penaltyschießen gegen Russland schon angetreten. Dreimal war der Puck drin. „Mir gehen die Tricks aus“, sagte Oshie zu seinen Kollegen aus dem US-Eishockey-Team. Aber US-Trainer Dan Bylsma hatte entschieden: Oshie soll zum sechsten Mal ran. Es ist das wichtigste Spiel der Vorrunde. Oshie macht eine One-Man-Show daraus. Er lächelt, schnappt sich den Puck, Schuss, Tor. Sieg USA. JÜK

Yuna Kim (Eiskunstlauf): Sie lief eine fast zu kitschige Kür, diese Koreanerin. Engelgleich glitt sie über das Parkett von Sotschi, die Stumpfheit des Publikums wie des Eises an sich abperlen lassend. Aber was hätte die Königin von Vancouver tun können, um bei der Jury vor ihrer russischen Rivalin zu liegen? Poetisch Feuer spucken? Nutzlos wär’s gewesen: Es gewann eine, die gnädigem Vergessen anheimfallen wird. Yuna Kim aber ist längst entschwebt. JAF

Noriaki Kasai (Skispringen): Mit seinem Sprung von der Großschanze zur Silbermedaille zog der 42-jährige Japaner alle Aufmerksamkeit magnetisch auf sich. Olympiasieger Kamil Stoch aus Polen konnte einem leidtun. Doch 20 Jahre nach seiner ersten olympischen Medaille staunten alle über die Rückkehr des betagten Profis aufs olympische Podest. Dem war das gar nicht so recht. Für ihn zählt nur Gold. In vier Jahren soll es so weit sein. JOK

Evi Sachenbacher-Stehle (Biathlon): ARD-Moderator Gerhard Delling hoffte, dass die Sache mit der positiven Probe doch nur „ein Schuss in den Wind“ sei. Stundenlang wurde im Ersten diskutiert, warum der Dopingfall Sachenbacher-Stehle ein Unfall, ein Einzelfall sei. Ausreden für Evi. Ausreden fürs Publikum. Die Überführung der Biathletin offenbart das Verhältnis vieler deutscher Sportjournalisten zum deutschen Sport: Wir sitzen alle in einem Bob. JÜK

Vic Wild (Snowboard-Parallel-Slalom): Souverän, ruhig, und wahnsinnig schnell – der gebürtige Amerikaner Vic Wild war beim alpinen Snowboarden in Sotschi eine Klasse für sich. Weil der amerikanische Verband ihn nicht unterstützte, nahm er 2011 die russische Staatsbürgerschaft an und holte für das olympische Gastgeberland zweimal Gold. Sein nahezu perfekter Fahrstil war eine Augenweide und machte ihn für die Konkurrenz uneinholbar. ASCH

Eva Samkova (Snowboard-Cross): Die 21-jährige Tschechin trägt einen aufgemalten Schnurrbart, als sie in der Startbox des Crosskurses darauf wartet, sich den Hang hinunterzustürzen. Der Schnurrbart sei ihr Glücksbringer, so Samkova. Sie fährt souverän vorne weg und gewinnt Gold. Ein wenig ausgeflippt muss man für diesen Wettbewerb wohl sein. Kaum die Hälfte der Starterinnen erreicht das Ziel, der Rest behindert sich gegenseitig und stürzt. MAT

Erik Lesser (Biathlon): Nicht dass er über 20 Kilometer und 20 Schuss Silber gewann, nahm für ihn ein. Sondern diese unprotzige, beinahe scheue und bescheidene Art, sich über diese Medaillen zu freuen. Dieser Thüringer hob sich von anderen Männern des olympischen AthletInnentrosses ab – davon abgesehen, dass er redet, als hätte noch kein Rhetorikcoach seine Sprache geglättet, das heißt verdorben. Silber in der Staffel gab es noch dazu: sehenswert. JAF

Ireen Wüst (Eisschnelllauf): Die Alleskönnerin ragte unter den alles gewinnenden holländischen Kufenflitzern heraus: zweimal Gold und dreimal Silber. Auch abseits der Eisbahn sorgte sie für einen besonderen Moment. Die bisexuelle Sportlerin wurde von Russlands ahnungslosen homophoben Präsidenten Putin geherzt. Auch wenn Wüst Privates nicht politisiert sehen will – es war ein schönes Bild. Wüst sollte es sportlich nehmen. JOK

Christoph Langen (Bob): „Das ist die größte Katastrophe, die uns passieren konnte.“ Daran ließ der deutsche Bobtrainer nach dem medaillenlosen Auftritt seiner Schützlinge keinen Zweifel. Der Olympiasieger von Nagano 1998 und Salt Lake City 2002 druckste auch bei der Frage nach seiner Verantwortung nicht herum: „Ich nehme die Schuld auf mich“, sagte er und zeigte sich bereit, bis Pyeongchang 2018 alles besser zu machen. EPE