Die Heuschrecken sind schon da“

Die kommunalen Bremer Kliniken stecken in einer Krise – die Gesundheitssenatorin zeigt sich hilflos und will mehr von der falschen Medizin, kritisiert Betriebsrat Erlanson und fordert ihren Rücktritt

Gegen kriminelle Energie führender Mitarbeiter ist niemand gewappnet, sagt die Gesundheitssenatorin Karin Röpke. Die beiden ausgeschiedenen Klinik-Chefs Wolfgang Tissen und Andreas Lindner beteuern öffentlich ihre Unschuld. Wir fragten den Betriebsrat Peter Erlanson vom Klinkum Links der Weser, der auch Mitglied im Holdingaufsichtsrat ist, was er von der Lage hält.

taz: Gesundheitssenatorin Röpke will den neuen Chefs der Kliniken mehr Kompetenzen geben, die Betriebsräte sollen weniger blockieren. Ist das die richtige Konsequenz?

Peter Erlanson: Man kann sich doch nicht wundern, dass die Speicher leer sind, wenn man sich die Heuschrecken ins Haus geholt hat! Es gibt nicht nur die Müntefering’schen Heuschrecken, die Geldanleger. Es gibt auch die Job-Hopper, also eine Sorte Manager, die durchs Land ziehen, in schwierigen Situationen Verträge über drei oder Vierjahresverträge bekommen und oft ein größeres Trümmerfeld hinterlassen als sie vorgefunden haben. Davon haben wir nun eine Garnitur erlebt, Tissen als Chef an der Spitze der Holding der Kliniken und Andreas Lindner als Leiter des Klinikums Ost.

Die hatten vorher auch nur kurze Verträge?

Natürlich. Wir als Betriebsräte haben uns doch erkundigt, unter welchen Umständen die beiden ihre vorherigen Arbeitsstellen verlassen haben.

Erstaunlicherweise konnte bis heute nicht die Frage aufgeklärt werden, wer eigentlich die Verantwortung für die Einstellung von Andreas Lindner als Chef des Klinikums Ost hatte.

Für die Einstellung von Wolfgang Tissen gab es eine Auswahlkommission und Headhunter, die haben Tissen aber gar nicht vorgeschlagen, auf der Liste der Eingeladenen stand der gar nicht. Das lief dann irgendwie nachher außerhalb des Verfahrens.

Und Lindner?

Da waren Arbeitnehmervertreter an der Auswahlkommission nicht beteiligt. Wir wissen nur, dass letztendlich Tissen sich sehr stark für Lindner eingesetzt hat, die kannte sich ja aus den Wittgensteiner Kliniken, die kommen beide aus dem Stall. Wenn Karin Röpke jetzt nur noch sagen kann, man kann gegen kriminelle Energie nichts tun, dann ist das ein Offenbarungseid. Objektiv ergibt sie sich damit hilflos in ihr Schicksal. Sie kündigt zwar Konsequenzen an, doch die funktionieren nach dem Motto: Man wendet eine Medizin an, man stellt fest, sie wirkt nicht, und dann gibt man immer mehr von der gleichen Medizin.

Sie will die Spitze der Holding stärken – ist das falsch?

Was diese Spitzen bisher gemacht haben, ist ja bekannt. Tissen ist doch geholt worden, weil er diesen starken Macker spielen sollte. Weil dieser Mensch so stark alles reglementiert hat, haben die Geschäftsführer der vier Kliniken gekuscht, hatten auf einmal keine eigene Meinung mehr. Selbst dann nicht, als Tissen seinen Kumpel Lindner zum Chef der größten Bremer Klinik – nämlich Mitte – machen wollte. Und die Senatorin hat sogar dazu noch Ja gesagt, auch noch im Februar. In Wirklichkeit hat Tissen doch in den zwei Jahren nichts bewegt, es wurden nur Phantastereien in die Welt gesetzt. Er ist ein typischer Großsprech. Alle haben sich beeindrucken und einschüchtern lassen. Und jetzt will die Senatorin einen holen, dessen Position in der Holding auch noch stärker sein soll. Das ist dass, was ich mit dem immer mehr der gleichen unwirksamen Medizin meine. Diese Senatorin ist nicht mehr haltbar.

Tissen wurde im Nachhinein vorgeworfen, dass er zu wenig kommunikationsfähig war für seine Leitungsfunktion.

Er war autoritär, konnte die Leute nicht mitnehmen, hat getreten und gebissen, wenn niemand hingeguckt hat und große Sonntagsreden gehalten. Und jetzt soll einer gesucht werden, dem die senatorische Behörde noch mehr blindes Vertrauen schenken kann.

Wie kann es denn sein, dass ein Unternehmen wie das Klinkum Ost Millionen-Gutachteraufträge vergibt und Fernseh-Schränkchen für 7.000 Euro das Stück bestellt ohne dass Abteilungsleiter das für gut befunden haben?

Wo es doch einen Zentraleinkauf geben soll. Es ist schwer, sich das vorzustellen. Nur wo der Geschäftsführer von der Politik und vom Aufsichtsrat so viel Vertrauen hat, kann er derart allein regieren. Es waren doch die Betriebsräte, die die internen Gerüchte kannten und auch den Staatsrat seit Monaten informiert haben, aber der wollte das vor lauter Vertrauensseligkeit nicht wahrhaben. Es waren auch die Betriebsräte die von Anfang an einen starken Aufsichtsrat nach dem Aktiengesetz gefordert haben, dann nämlich müssten solche Ausgaben immer im Aufsichtsrat abgesegnet werden. Nur die SPD in Bremen traute sich das damals bei der Privatisierung nicht, weil dann die CDU hätte sagen können: Die Arbeitnehmer bekommen zu viel Macht!

Die Betriebsräte von Mitte, Ost und Bremen-Nord verhandeln mit der Senatorin über einen Kontrakt, nach dem die Beschäftigten auf sechs Prozent des Lohns verzichten sollen …

Also wir von Links der Weser gehen zu diesen Gespräche, zu denen wir eingeladen werden, nicht hin. Denn der eigentliche Skandal ist, dass das Land nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz die Investitionen bezahlen müsste, die defizitäre Lage im Falle des Klinikums Mitte ist seit langem bekannt. Die Stadt hat ihre Investitionspflicht seit Jahren vernachlässigt. Und sagt jetzt: Nein, wir leisten die erforderlichen Investitionen nicht. Dafür sollen Personalkosten gespart werden, 700 Vollzeitstellen sollen weg, das sind weit über 1.000 Köpfe. Und jetzt sollen die Beschäftigten auch noch die Zeche für das zahlen, was Lindner in Bremen-Ost verbockt hat und was Tissen in diesen zwei Jahren verbockt hat. Die gut verdienenden Ärzte sind übrigens fein raus – die hat Gesundheitssenatorin nicht einmal eingeladen, wenn über Gehaltsverzicht zur Finanzierung ihrer Investitions-Pflichten geredet wird. Da sagen wir nein. An solchen Gesprächen nehmen wir nicht teil.

Fragen: kawe