„Wer sind die Hintermänner?“

DAILY DOPE (668) Epo-Konsument und Skilangläufer Johannes Dürr vermiest den Österreichern ihre gute olympische Bilanz. Experten kritisieren: seine Leistungssteigerungen hätten auffallen müssen

WIEN taz | Für niemanden mehr würde er die Hand ins Feuer legen, „auch wenn’s ungerecht ist“, polterte Markus Gandler, der für Langlauf und Biathlon im Österreichischen Skiverband (ÖSV) zuständige Sportdirektor, am Sonntag. Die Meldung, Johannes Dürr, Hoffnungsträger auf der Langstrecke, sei positiv auf Epo getestet worden, hatte ihn sichtlich schockiert. Gerade Gandler, selbst einst Spitzensportler im Langlauf, hatte hart daran gearbeitet, das verheerende Image der österreichischen Loipentreter zu sanieren. Denn schon in Salt Lake City 2002 und in Turin 2006 waren die nordischen Olympioniken als Doping-Champions ertappt worden. Gandler: „Wir haben uns den Arsch aufgerissen für den Hund. Und dann wirst du so betrogen.“

Die plötzliche Leistungssteigerung Dürrs hätte den Verantwortlichen auffallen müssen, meinen jetzt die Experten, von Sportreportern bis Bernhard Kohl, der 2008 als Sieger der Bergwertung zum Star der Tour de France aufgestiegen war. Wenig später wurde die Ursache entdeckt: Epo. Offenbar sind seither neue Methoden entwickelt worden, den Wirkstoff so dosiert einzusetzen, dass die Urinproben nicht auffallen. Denn ein gewisses Quantum Epo wird bei Anstrengung vom Körper selbst erzeugt. Die Dopingfahnder haben aber nachgezogen und erstellen Blutprofile über mehrere Monate. Auffälligkeiten werden leichter entdeckt.

So war es auch im Fall des 26-jährigen Johannes Dürr, der wenige Stunden vor dem 50 Kilometer-Rennen geoutet wurde. Dürr war bald geständig. Denn Gandler habe die Wahrheit aus ihm „fast herausgeprügelt“. Gandler lässt Rücktrittsforderungen an sich abprallen. Er will indes wissen: „Wie konnte das passieren? Wer sind die Hintermänner? Hätten wir etwas merken können oder müssen?“ Dass Dürr sich das leistungssteigernde Mittel allein besorgt und verabreicht hat, ist für Kenner der Szene auszuschließen.

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, dessen Freude über 17 Medaillen, davon neun alpine, vom Dopingfall jäh verdorben wurde, drohte im ersten Zorn, die Langläufer zu verstoßen. „Wenn man mit den Langläufern nur Probleme hat, muss man überlegen, wie weit die noch gefördert werden“, so Schröcksnadel bei einem Mediengespräch in Sotschi. So heiß dürfte allerdings nicht gegessen werden. In Osttirol und der Steiermark gibt es Langlaufzentren mit mehreren tausend Mitgliedern, auf deren Beiträge der ÖSV nicht gern verzichten wird. RALF LEONHARD