Die Nerven verloren

Deutschlands Basketballer verlieren hoch gegen Spanien und verabschieden sich aus dem Kampf um Platz eins in ihrer WM-Gruppe

Spaniens Spiel war für die Deutschen wie ein hochkomplexes Grafikprogramm für einen langsamen Computer

AUS HIROSHIMA MARTIN FÜNKELE

Als ob er es gewusst hätte. Noch bevor der erste Sprungball im vermeintlich vorentscheidenden Spiel um Platz eins der Gruppe B zwischen Deutschland und Spanien geworfen war, konnte man dem Gesicht von Dirk Nowitzki eine gewisse Irritation ansehen. Der Hallensprecher hatte das Kommen der spanischen Mannschaft längst angekündigt, ehe die Spieler von Trainer Pepu Hernández mit reichlich Verspätung die „Grüne Arena“ in Hiroshima betraten. Nowitzki blickte über die rechte Schulter und zögerte. Der nächste Wurf, den er zur Probe in Richtung Korb schickte, verfehlte das Ziel. Vielleicht hatte er ja schon in diesem Moment erkannt, dass er an diesem Abend den Ball nicht mehr all zu oft in Händen halten würde.

Für Bundestrainer Dirk Bauermann war dies zumindest eine Erklärung für die 71:92-Niederlage. „Die Spanier hatten eine hervorragende Verteidigungsstrategie. Sie haben es uns unheimlich schwer gemacht, Dirk ins Spiel zu bringen.“ Nur neunmal gelang es Nowitzki, einen Wurf abzugeben – seine 14 Punkte sind weit entfernt von dem Comeback, das Bauermann nach Nowitzkis schwachem Spiel gegen Neuseeland angekündigt hatte.

Doch die Zögerlichkeit des deutschen Vorzeigebasketballers war nicht der einzige Grund für die Pleite. Der andere hieß José Manuel Calderón. Der 25-jährige Guard erzielte allein 20 Punkte – und das bei einer fabelhaften Trefferquote von 89 Prozent. Darüber hinaus lieferte er sechs Assists. Calderóns Angriffswirbel war für die Deutschen wie ein hochkomplexes Grafikprogramm für einen langsamen Computer. „Er hat uns zusammenbrechen lassen“, sagt Bauermann. Dabei hatte sein Team recht flott begonnen. 5:0 stand es nach 30 Sekunden. Dazu war es es Patrick Femerling gelungen, Pau Gasol schon in der vierten Minute sein zweites Foul anzuhängen. Der Center der Memphis Grizzlies kehrte erst eine knappe Viertelstunde später wieder auf das Parkett zurück. Doch schon nach wenigen Minuten offenbarte sich ein Muster: Die spanischen Scharfschützen Calderón (2), Navarro (3) und Garbajosa (4) werfen durch ihre Dreier einen Vorsprung heraus, der die Deutschen die Nerven verlieren ließ. Allen voran Nowitzki. Nach einem seiner vier Ballverluste platzt ihm der Kragen: Lautstark und gestenreich macht er einem der Unparteiischen klar, dass er das Spielgerät nur aufgrund eines Fouls verloren hatte. Johannes Herber sagt: „Wir haben Fehler gemacht, die man gegen einen Gegner wie Spanien nicht machen darf. Dafür wurden wir bestraft.“ So nützten auch die zwei Herber-Dreier zum 64:74 Anfang des vierten Viertels nichts. Immer wenn die Deutschen es schafften, den Abstand signifikant zu verkürzen, antworteten die Spanier mit doppelter Konsequenz. „Jeder weiß, dass Basketballspiele in Sprints ablaufen“, sagt Nowitzki. Und gute Mannschaften seien in der Lage, „den Run des Gegners mit einem noch längeren Run zu beantworten“.

Das deutsche Team verfügte nicht über diese Qualität. „Wir kamen immer wieder zurück“, so Bauermann. Wie zum 50:51 in der 22. Minute. „Wenn wir es geschafft hätten, hier in Führung zu gehen, wäre das Spiel vielleicht anders gelaufen.“ So lief den Deutschen nur die Zeit davon. Bis Bauermann drei Minuten vor Schluss aufgab und Nowitzki auf die Bank beorderte. Der sagte später in der Mixed Zone: „Ich glaube nicht, dass sich diese Niederlage im Kopf festsetzt. Es ist immer bitter zu verlieren, egal ob mit einem oder mit 21 Punkten.“ Auch Coach Bauermann weigerte sich, dem wahrscheinlich verloren Platz eins in der Gruppe nachzutrauern: „Wir müssen schauen, was uns bleibt.“ Das sind noch zwei Spiele: Am Mittwoch gegen Panama am Donnerstag gegen die noch ungeschlagenen Angolaner.

Doch davor soll die Mannschaft an ihrem freien Tag einen Ausflug zum Itsukushima-Schrein machen. Die traditionellen Pfeiler wurden von der Unesco 1996 zum Weltkulturerbe erklärt. Für Japaner symbolisieren sie das Tor zwischen dem Weltlichen und dem Sakralen. „Das soll ja schon um 9.30 Uhr losgehen. Ich weiß nicht, ob ich da schon dabei bin“, so Nowitzki. Als ob er wüsste, dass er momentan primär mit weltliche Problemen zu kämpfen hat. Schlaf könnte helfen. Der Himmel kann warten.