NRW spart für den Osten

Die ARGEN im Land geben weniger Geld für die Förderung von ALG II-Empfängern als sie könnten. Das Bundesministerium will das Ersparte deshalb jetzt an die neuen Bundesländer weiterleiten

VON SUSANNE GANNOTT UND KATHARINA HEIMEIER

Die Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) in Nordrhein-Westfalen tun sich schwer mit dem Geldausgeben: Nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums haben sie knapp 140 Millionen Euro weniger als möglich in die Förderung von Empfängern des Arbeitslosengeldes II investiert. Gerade Städte mit hohen Arbeitslosenquoten wie Duisburg oder Essen knausern bei Weiterbildungskursen.

Das Ministerium bittet die ARGEN deshalb, das gesparte Geld zurück zu geben. In Berlin sieht man die Möglichkeit einer „regionalen Umverteilung der Eingliederungsmittel“, wie es in einem Schreiben des Bundesministeriums heißt, das der taz vorliegt. Das Geld, das die ARGEN in NRW gespart haben, sollen ihre Kollegen in den neuen Bundesländern bekommen. Denn die geben gerne und viel Geld für die Eingliederung der Arbeitslosen aus.

Die ARGE Essen hat neun Millionen Euro weniger als möglich ausgegeben und dem Ministerium angeboten, 5,6 Millionen Euro zurück zu zahlen. „Bei einem Volumen von 59 Millionen Euro ist das nicht viel“, sagt Ralf Steiner, Geschäftsführer der ARGE Essen. Er begründet die gesparte Summe so: „Wir haben das Geld nicht mit vollen Händen ausgegeben.“ Zudem sei man bei den Fördermaßnahmen wählerisch. „Wir bieten nur Maßnahmen an, die passgenau für unsere Klientel sind.“

Die Geschäftsführung der ARGE Bochum hat sogar eine Rückzahlung von 7,6 Millionen der insgesamt 27 Millionen Euro Eingliederungsmittel angeboten. Die SPD und die Grünen wollen dies mit einem Dringlichkeitsantrag in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses verhindern und das Geld stattdessen für weitere Qualifizierungsmaßnahmen in Bochum verwenden.

Die NRW-Regionalstelle der Arbeitsagentur beobachtet die Sparmaßnahmen der ARGEN an Rhein und Ruhr schon seit einiger Zeit kritisch: „Wir haben immer schon versucht, Signale zu geben, dass da etwas nicht so gut läuft“, sagt Werner Marquis, Sprecher der Düsseldorfer Behörde. Nun wird Ursachenforschung betrieben: „Unsere Leute sind jetzt vor Ort, um das aufzudröseln. Noch haben wir keine richtige Erklärung dafür.“ Ein möglicher Grund könnte sein, dass die so genannten Eingliederungsmittel – etwa Weiterbildungskurse – in diesem Jahr günstiger bei privaten Bildungsträgern eingekauft werden konnten als im vergangenen Jahr. „Aber das ändert nichts daran, dass mehr getan werden könnte und müsste.“

Die Arbeitsgemeinschaft in Köln würde nach eigenem Bekunden gerne mehr fördern, kommt aber nicht dazu. Sie hat 12 Millionen Euro weniger als möglich ausgegeben. „Wir befinden uns im Jahr zwei nach der Reform noch immer im Aufbau“, sagt die zuständige Sozialdezernentin der Stadt Köln, Marlis Bredehorst. Das Computersystem beispielsweise funktioniere noch immer schlecht. „Da ist es erst einmal wichtig, dass die Leistungen stimmen und dann erst können sich die Mitarbeiter um die Eingliederung kümmern.“ Neue Mitarbeiter müssten eingearbeitet werden. „Die wissen noch nicht, welche Förderungsmöglichkeiten es gibt und wie man den Menschen am besten hilft.“

Das Gesparte würde Köln gern zurückgeben: „In diesem Jahr geht das noch. Aber daraus kann man nicht den Rückschluss ziehen, dass wir es nicht brauchen. Das ist ein Trugschluss der Bundespolitik.“

Auch bei der ARGE Duisburg, der insgesamt 58 Millionen Euro Fördermittel zustehen, hat man sich über die Post aus Berlin geärgert. Die 12 Millionen, die das Ministerium zurückfordert, seien zwar schon zugesagt gewesen, aber noch nicht freigegeben. „Also hatten wir sie noch nicht verplant. Vielleicht hätten wir das trotzdem tun sollen, dann hätten wir jetzt keinen blauen Brief bekommen“, sagt Rolf Reisiger von der ARGE Duisburg.