LIBANON-TRUPPE: ROM BEKOMMT DIE PROBLEME, DIE PARIS VERMEIDET
: Bedauern in Beirut

Eigentlich sollte ein Großteil der 15.000 UN-Soldaten bereits im Libanon stationiert sein. Aber das diplomatische Gerangel um das Oberkommando der Mission dauert seine Zeit. Frankreich, das ursprünglich die UN-Führungsrolle übernehmen wollte, hat kalte Füße bekommen. Nun wird wohl Italien als Kommandonation in die Bresche springen. Dem israelischen Premierministers Olmert ist’s recht. Von Rom ist weniger Eigensinn zu erwarten als von Paris.

Italiens Regierungschef Prodi kann nun auf diplomatischem Parkett wieder Pluspunkte sammeln. Durch die Kapriolen seines Vorgängers Berlusconi stand es schlecht um Italiens internationalen Ruf. Im Libanon wird diese Entscheidung bedauert – Frankreich ist ein wichtiger Bündnispartner, sowohl ökonomisch wie auch politisch. Frankreich zählte zu den Befürwortern der „Zedernrevolution“ und der antisyrischen Regierung von Premierminister Fuad Siniora. Als Oberkommandeur kann es schnell in einen Interessenkonflikt geraten: Ein Vorgehen gegen Hisbollah oder sogar eine Entwaffnung der Miliz würde die guten Beziehungen zur libanesischen Regierung belasten und die regionalen Interessen gefährden.

Siniora wiederum hat mehrfach betont, an einer härteren Gangart gegenüber der Hisbollah nicht interessiert zu sein. Er will auf seine überzeugende Trumpfkarte bei kommenden Friedensverhandlungen mit Israel nicht verzichten. Das Waffenarsenal der Miliz, insbesondere die unbenutzten Langstreckenraketen, sind ein wichtiger Joker – selbst in den Händen der libanesischen Armee, in die Hisbollah möglicherweise integriert wird. Damit könnte der Libanon erstmals in seiner Geschichte auf gleicher Augenhöhe mit Israel verhandeln.

Für Frankreich bringt die italienische Politik keine Nachteile. Im Libanon muss sich Paris nicht mehr mit dem Einfluss Washingtons auseinandersetzen – er existiert nicht mehr. Denn die Libanesen sehen die USA als Hauptverantwortlichen für das Desaster, das Israel in ihrem Land angerichtet hat. Mit einigem Recht. ALFRED HACKENSBERGER