Jagd auf Usbeken im Süden Kirgisiens

Bewohner der usbekischen Stadt Andischan, die nach einem Massaker 2005 ins Nachbarland geflohen waren, werden als „Terroristen“ verfolgt und in ihre Heimat ausgeliefert. Internationale Verpflichtungen interessieren kirgisische Behörden nicht

VON MARCUS BENSMANN

Im Süden Kirgisiens werden Usbeken seit Wochen getötet, gefoltert und verschleppt. Walischon Bobodschjonow und Saidullo Schakirow verschwanden am vergangenen Freitag. Trotz gültiger Papiere als anerkannte Flüchtlinge wurden sie am 18. August in der südkirgisischen Stadt gekidnappt und den usbekischen Behörden übergeben. Mit dem usbekischen Geheimdienst machen die kirgisischen Sicherheitsbehörden in dem kirgisischen Abschnitt des dicht besiedelten Ferghanatals Jagd auf angebliche Terroristen, ohne sich dabei um internationale Verpflichtungen oder nationale Rechtssprechung zu scheren. Der kirgisische Ombudsmann Tursunbai Bakir Ulu wirft den kirgisischen Behörden vor, sich zum Büttel des usbekischen Geheimdienstes zu machen.

Das Ferghanatal, wo sich die Grenzverläufe Usbekistans, Kirgisiens und Tadschikistans überschneiden, hat seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion immer wieder radikale Bewegungen hervorgebracht, die die usbekische Regierung mit aller Brutalität verfolgt. Über eine Million ethnischer Usbeken leben jenseits des Machtbereichs Taschkents im südlichen Kirgisien. Dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow war die lasche Haltung der kirgisischen Behörden immer ein Dorn im Auge. Vor allem nach dem Massaker von Andischan beschuldigte Karimow die kirgisische Regierung, dass Terrorgruppen das südlichere Kirgisien ungestraft als sicheren Hafen nutzten.

Am 13. Mai 2005 hatten usbekische Sicherheitskräfte einen Volksaufstand in Andischan von Panzerwagen aus niedergeschossen. In der Nacht nach der Bluttat flüchteten hunderte Einwohner der usbekischen Provinzstadt nach Südkirgisien. Die usbekischen Behörden rechtfertigten das blutige Vorgehen als Kampf gegen den Terrorismus und verlangten vom kirgisischen Nachbarstaat die Auslieferung der nach Kirgisien geflüchteten Andischaner Bürger. Zuerst widerstand die kirgisische Regierung dem Druck des Nachbarn, und im Juli 2005 konnte das UN-Flüchtlingswerk 400 Flüchtlinge aus der kirgisischen Hauptstadt Bischkek nach Europa ausfliegen.

Seit Juli dieses Jahres nähert sich der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew dem usbekischen Amtskollegen Islam Karimow an. Bakijew versprach auf einem GUS-Treffen in Moskau Karimow von nun an treue Helferdienste im gemeinsamen Kampf gegen den Terror im Ferghanatal. Und er lieferte prompt.

Seither sind Razzien und Verhaftungen an der Tagesordnung. Zwei Fälle erlangten unlängst internationales Aufsehen. Am 6. August erschossen kirgisische Sicherheitskräfte den Imam Rafik Kori Kamulludin in dessen Auto in der südkirgisischen Stadt Osch. Der Imam sei Terrorist und Mitglied der radialen Islamischen Bewegung Usbekistans (IMU) gewesen, begründete ein Sprecher der kirgisischen Staatssicherheit die Tötung des bekannten Religionslehrers auf offener Straße. Sowohl die Anhänger des Imam und dessen Angehörigen wiesen dies empört zurück. „Man hat meinem Vater erst erschossen und ihm dann eine Waffe in die Hand gedrückt“, sagt der Sohn des Ermordeten.

Mehrere tausend Gläubige gaben dem Imam die letzte Ehre und forderten dessen Anerkennung als Märtyrer. Der Imam, zu dessen Freitagsgebeten in der südkirgisischen Grenzstadt Karasu sich regelmäßig über 10.000 Menschen versammelten, hatte vor seinem Tod offen die usbekische Regierung kritisiert. Zu den Zuhörern gehörten auch Einwohner aus Usbekistan, die freitags über die Grenze nach Kirgisien kamen.

Am 7. August wurden fünf Usbeken den usbekischen Behören übergeben. Vier von ihnen standen unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Die fünf Männer waren nach dem Massaker von Andischan nach Kirgisien geflüchtet. Im Mai 2005 wurden sie im Untersuchungsgefängnis in Osch interniert, der usbekische Staat verlangte ihre Auslieferung als Terroristen. Über ein Jahr beknieten das UNHCR und die westliche Gemeinschaft die kirgisische Regierung, die Männer in ein sicheres Drittland ausreisen zu lassen. Auch die zwei zuletzt geraubten Usbeken gehörten zu den Andischaner Flüchtlingen. Wie der Sender Radio Free Europe berichtete, sitzen auch sie bereits in usbekischen Folterzellen.