Razzia in Köln-Ehrenfeld

Das Bundeskriminalamt durchsucht die Wohnung des mutmaßlichen zweiten „Kofferbombers“. Der 20-jährige Libanese ist weiter auf der Flucht

AUS KÖLN FRANK ÜBERALL

Polizei-Bullis brausen heran, die Mittagsidylle in einer Wohnstraße in Köln-Ehrenfeld ist dahin. Beamte in Kampfanzügen sperren den Zugang zu der Stichstraße. Sie rennen in ein Mehrfamilienhaus. Ihre Overalls tragen Aufschriften wie „Polizei“ oder „BKA“. Auf dem Plan der Fahnder steht die Durchsuchung einer Wohnung. In diesem Mehrfamilienhaus soll der zweite mutmaßliche Kofferbomben-Leger gewohnt haben.

Die Razzia dauerte stundenlang an. Die Sicherheitsbehörden schwiegen zu den Hintergründen beharrlich. Man wolle sich „aus ermittlungstaktischen Gründen“ zunächst nicht äußern, sagte eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA). Doch nach und nach sickern Informationen aus Polizeikreisen an die Öffentlichkeit: Ein 20-jähriger Mann aus dem Libanon wurde als mutmaßlicher Täter identifiziert – gegen ihn will die Generalbundesanwältin in Kürze Haftbefehl beantragen.

Bereits am Montagabend zeigte sich BKA-Präsident Jörg Ziercke öffentlich zuversichtlich, auch den zweiten der beiden Verdächtigen schnell festnehmen zu können: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir einen schnellen Fahndungserfolg haben werden.“ Er sollte sich irren. Die Fahnder, die sich in der Nacht zu Dienstag auf den Weg nach Köln machten, kamen zu spät und mussten erfolglos wieder abziehen. Experten gehen davon aus, dass sich der Mann in den Libanon abgesetzt hat. Pressemeldungen, wonach seine Festnahme am Montag gescheitert sein soll, bezeichnete Harms als nicht zutreffend.

Der ARD-Hörfunk berichtete über weitere Spuren in den Libanon: Auch der bereits festgenommene Libanese soll dem Radiobericht zufolge nach dem versuchten Anschlag in sein Heimatland geflogen sein. Warum er dann aber nach Deutschland zurückgekehrt sei, darüber kann nur spekuliert werden. „Vielleicht wollte er den misslungenen Anschlag ja nachholen?“, fragte ein besorgter Fahnder.

Die Terrorgefahr scheint durch die schnellen Ermittlungen des BKA eben nur teilweise gebannt. Am liebsten hätten die Beamten in Wiesbaden alles unter der Decke gehalten. Der öffentliche Wirbel um die missglückte Festnahme kann schließlich auch als Warnung für die mutmaßlichen Terroristen verstanden werden. Keiner weiß nämlich, ob hinter den beiden Verdächtigen ein Netzwerk steht und ob es kurzfristig weitere Anschläge geben wird. Wenn Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) meint, dass die Terrorgefahr in Deutschland „leider sehr real“ sei, versteht man die Aufregung in den Sicherheitsbehörden.

Immerhin waren die beiden Ende Juli in Regionalzügen deponierten Sprengvorrichtungen nach Erkenntnissen des BKA nur wegen technischer Fehler nicht explodiert. Im schlimmsten Fall wären mehrere Tote und Verletzte zu beklagen gewesen. Die Verdächtigen, die durch Videoaufnahmen am Kölner Hauptbahnhof öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben werden konnten, waren offenbar keine Selbstmordattentäter. Sie sind nach Überzeugung der Ermittler aus den Zügen ausgestiegen, bevor die Bomben gezündet wurden. In den abgestellten Koffern mit den explosiven Stoffen fanden die Fahnder dann unter anderem Hinweise auf den Libanon, weshalb auch auch mit besonderem Hochdruck nach den Hintergründen der Tat gefahndet wird.

Gesucht wurde dabei nicht nur in Köln, sondern auch im Ruhrgebiet. In Oberhausen soll es am Dienstag laut Augenzeugenberichten zu einer Festnahme gekommen sein – die Polizei machte dazu doch zunächst ebenso wenig Angaben wie zu einer weiteren Gebäudedurchsuchung gestern in Berlin. Die örtliche Justiz ermittelt mit Hochdruck. Zu Hintergründen hält man sich aber auch hier bedeckt. Die Federführung hat ohnehin das für seine Schweigsamkeit bekannte BKA übernommen.

Der Antiterroreinsatz mitten in Köln-Ehrenfeld sorgte in der Nachbarschaft für neugierige Blicke. „Was ist denn hier los?“, fragte eine Anwohnerin, doch die Polizisten haben Sprechverbot. Als Journalisten ihr erklären, dass hier einer der Bombenleger gewohnt haben soll, guckt sie verdutzt: „Das ist doch hier eine ganz ruhige Gegend, hier wohnen doch fast nur alte Leute.“