„Hab‘s lieber hemdsärmelig“

Man isst gut und vielseitig im kulinarischen Schmelztiegel Ruhrpott, sagt Joachim Hermann Luger. Und auch sonst kann es der 62-jährige Schauspieler, den die meisten als „Hans Beimer“ kennen, in seiner Wahlheimat Bochum gut aushalten

INTERVIEW SUSANNE GANNOTT

taz: Du bist ja unter die Feinschmecker gegangen und machst in der WDR-Lokalzeit Ruhr „Lecker Essen mit Luger“. Schmeckt Dir da noch das Kantinen-Essen in der Lindenstraße? Früher war das ja ziemlich gut.

Joachim Hermann Luger: Naja, es ist ganz in Ordnung. Es ist Kantinenessen und wahrscheinlich besser als das in der Hauptkantine vom WDR. Sie machen, was möglich ist. Aber so gut wie in unseren Anfangsjahren ist es nicht mehr, als Christine Gensel ...

... die Frau von Franz-Schildknecht-Schauspieler Raimund Gensel ...

... in dieser kleinen Küche gezaubert hat. Die kleinen Feinschmeckereien von Christine, die gibt es leider nicht mehr.

Was bekommst Du denn so vorgesetzt, wenn die Leute für Deine Sendung bei sich zu Hause kochen?

Da gibt es alles, was man sich vorstellen kann. Das ist nicht nur regionale Küche. Das liegt natürlich daran, dass hier Menschen aus vielen Ländern zugereist sind im Laufe der Jahrhunderte. Wir haben ja einen richtigen Melting Pot im Ruhrgebiet. Das zeigt sich auch in der Küche.

Eine richtige Ruhrpott-Küche gibt es also gar nicht – oder nicht mehr?

Natürlich gibt es hier durchaus Liebhaber der westfälischen Küche. Aber im Laufe der Zeit hat sich das alles miteinander vermischt.

Meinst du eigentlich, die Leute essen wirklich so, wie sie für Dich kochen – oder tun die nur so fein, wenn das Fernsehen zu ihnen kommt?

Ich habe schon die unterschiedlichsten Sachen erlebt. Es gab Leute, die haben einfach was aus dem Supermarkt zusammengewürfelt oder nur eine Suppe gemacht. Es gab aber auch raffinierte Sachen.

Was isst Du denn am liebsten?

Ich bin einer, der alles isst – von derb Westfälisch bis haute cuisine.

Auch Currywurst?

Hin und wieder auch. Das ist so ziemlich das einzige Fast Food, das ich zu mir nehme. Wenn ich mal ins Kino gehe hier, ins Union am Bermudadreieck, kommt man an der berühmtesten Currybude Bochums nicht vorbei. Die hat ja schon Herbert Grönemeyer besungen. Und da gibt‘s immer noch die gute Dönninghaus-Currywurst.

Es gibt doch diesen ewigen Streit zwischen Berlin und dem Ruhrpott, wer die Currywurst erfunden hat. Weißt Du, wer Recht hat?

Ich weiß nur, dass ich, als ich noch in Berlin gelebt habe, schon vor ganz, ganz langer Zeit Currywurst gegessen habe. Da gab es die berühmte „Spandauer ohne Pelle“. Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, dass die Berliner das erfunden haben.

Aber man kriegt ja hier bestimmt auch was besseres als Currywurst.

Feinschmecker-Lokale gibt‘s auch im Ruhrpott – etwa Schloss Hugenpoet oder die Résidence in Essen. Aber das ist nicht so mein Ding. Dieses ganze Brimborium, mit 27 Mal das Besteck wechseln und hier ein Süppchen, da ein amuse gueule – da kann ich eigentlich drauf verzichten.

Gibt es jetzt mehr solcher Läden als früher? Das Ruhrgebiet will ja schon ...

... dieses Schmuddelimage, oder sagen wir: Arbeiterimage, loswerden, ja ja. Aber das wird ihm erhalten bleiben. Das hier ist nun einmal keine reiche Region, und es gibt nur eine relativ kleine Schicht von gut verdienenden Leuten. Die praktizieren solche Feinschmeckereien natürlich. Aber ich habe es lieber etwas hemdsärmeliger. Gut schmecken soll es natürlich schon. Und wenn in einem Restaurant der berühmte Maggi-Würzständer auf dem Tisch steht, weiß ich: Da solltest Du nicht essen gehen.

Nun hat sich im Ruhrgebiet nicht nur die Esskultur verändert, auch in der Kultur passiert einiges. Was sagst Du denn zur Kulturhauptstadt?

Das ist natürlich eine ganz langfristige Aufgabe. Aber es wird ja von außen oft übersehen, dass das Ruhrgebiet eine Kulturdichte hat, von der andere Regionen nur träumen. Jede größere Stadt hat ihr Theater, ihr Opernhaus, ihr Museum, ihre Konzerthalle – und jede, die das noch nicht hat, bemüht sich darum. Bochum zum Beispiel hat noch keine eigene Konzerthalle und will unbedingt eine bauen – trotz der prekären Finanzlage der Stadt.

Ist das gut oder schlecht?

Ich finde, das ist eigentlich nicht nötig. Aber es gibt hier im Ruhrgebiet ein verdammtes Kirchturm-Denken, jede Stadt will besser sein als die andere. Da könnte ich mich stundenlang drüber aufregen. Zum Beispiel das Verkehrssystem. Sechzig Jahre nach Kriegsende haben sie es noch nicht geschafft, eine schnelle Städteverbindung auf die Beine zu stellen, weil jede Stadt ihren eigenen Verkehrsverband hat – mit Vorständen. Und von denen hat jeder Angst um seine Pfründe und sagt: Oh Gott, dann bin ich ja nicht mehr Verkehrsdirektor von Essen oder Gelsenkirchen!

Aber die Kulturhauptstadt sollte dieses Kirchturmdenken ja eigentlich überbrücken helfen...

Das ist auch eine gute Sache. Dass das überhaupt zustande gekommen ist, finde ich schon mal genial.

Manche kritisieren aber, wegen der Kulturhauptstadt werde nur noch die Spitzen- und Massenkultur gefördert.

Da ist was dran. Wenn Du ein überregionales Image haben willst, hat es die Kleinkunst natürlich schwer. Die kleinen Theater krepeln sowieso immer rum. Aber man muss dann aus der Not eine Tugend machen, damit kreativ umgehen: wie Peter Brook und „Der leere Raum“. Er hat gesagt, wir brauchen keine Dekorationen, wir brauche nur Schauspieler auf einer leeren Bühne. So ist das Theater der Bescheidenheit vielleicht gar nicht das schlechteste.

Was ist Dir als Schauspieler lieber?

Mir macht Kleinkunst immer viel Spaß, weil es näher am Publikum ist. Aber genauso gerne spiele ich auch Boulevard-Theater. Das mache ich dann meist in Düsseldorf, Köln, Bonn – auch weil ich da schneller hinkomme vom Lindenstraßen-Studio aus.

Früher bist Du nach Köln zur Lindenstraße oft mit dem Motorrad gefahren. Machst Du das noch?

(lacht) Manchmal schon, allerdings nur bei gutem Wetter. Ich fahre auch gerne durchs Ruhrgebiet – mit dem Motorrad oder mit dem Fahrrad – und entdecke immer wieder spannende Sachen, etwa Relikte aus der Industriekultur. Aber es gibt auch große Wälder ringsherum, die Ruhr ist ein geradezu romantischer Fluss. Hier lässt es sich schon gut leben.

Ist das der Grund, warum Du seit 21 Jahren von Bochum nach Köln pendelst und nie umgezogen bist?

Das hat was mit meiner Lebenssituation zu tun. Wir sind damals zusammen mit Freunden in dieses Haus gezogen und unsere Kinder sind hier gemeinsam aufgewachsen. Das war toll.

Und Du wolltest nicht mehr weg.

Da nicht mehr. Vorher schon: Als ich 1974 ins Ruhrgebiet kam, habe ich gesagt: ein Jahr und nicht länger.

Fandest Du es so schlimm?

Erstmal schon. Ich kam aus dem kleinen, beschaulichen Lübeck hierher, wo alle Städte unter dem Krieg gelitten hatten und die Innenstädte so gesichtslos waren. Von der Lebensqualität her war es das krasse Gegenteil. Aber dann hat mich die Bevölkerung mit der Gegend versöhnt. Weil Du mit den Leuten so einfach ins Gespräch kommst. Sie sind hier sehr geradeaus, manchmal vielleicht etwas ruppig. Sie haben nicht so dieses Sofort-Umarmende wie die Kölner, aber sie sind von einer Art, die ich als Berliner gut kenne. Auch wenn der Berliner schneller ist mit der Schnauze als der Westfale.

Wo willst Du denn alt werden?

Ich habe immer gesagt, ich will hier nicht unbedingt sterben. Ich habe eigentlich eine große Sehnsucht nach Berlin. Erstmal ist es dort sehr lebendig, seit die Grenze weg ist und Berlin wieder weit geworden ist mit seinem Umland. Und dann ist es schlichtweg meine Heimat und da möchte ich hin. Nur: Wir leben hier eigentlich gerne, wir haben unseren Freundeskreis hier, meine Frau und ich sind hier beruflich gebunden.

Also bleibt Berlin ein Traum?

Vielleicht, wir werden sehen.

Die Autorin hat von 1985 bis 2001 die Rolle der Beate Flöter in der „Lindenstraße“ gespielt und ist seit drei Jahren Redakteurin bei der taz nrw.