Politiker klicken noch richtig

Spitzenpolitiker und taz-Redakteure testen den Wahl-O-Maten. Die Parteizugehörigkeit stimmt, doch die Koalitionen werden neu gemischt. WASG schneidet bestens ab und fordert den Tat-O-Maten

Von Jonas Moosmüller

Die Spitzenpolitiker der Berliner Parteien waren die Ersten, die gestern den Wahl-O-Maten ausprobierten –, bevor der Onlinewahltester im Internet freigeschaltet wurde. 30 Fragen zur Berliner Politik mussten sie beantworten, der Wahl-O-Mat zeigte die Ergebnisse an, und bei den fünf Fraktionsführern und der WASG-Spitzenkandidatin Lucy Redler hielten sich Verblüffung und Erleichterung die Waage.

Erleichterung herrschte, weil kein Politiker durch den Wahl-O-Maten unversehens ins Lager der Konkurrenz verwiesen wurde. Erwartungsgemäß kannten sich die Spitzenpolitiker in ihren Wahlprogrammen so gut aus, dass sie durch die Bank ein Spitzenergebnis von annähernd 100-prozentiger Übereinstimmung mit ihrer Partei erreichten.

Kleine Ausrutscher, wie von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Sibyll Klotz, fielen bei so viel Parteibuchtreue nicht weiter ins Gewicht. Klotz hatte nach eigenen Angaben zu viel mit den neben ihr stehenden Entwicklern des Wahl-O-Maten „gequatscht“ und sich so bei der Frage zum Ethikunterricht „aus Versehen vertippt“.

Verblüffung herrschte hingegen ob der erstaunlichen Koalitionsmöglichkeiten, die der Wahl-O-Mat für die Spitzenpolitiker ermittelte. Stefan Liebich, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei/PDS, hatte dabei die größte Mühe, sein Ergebnis richtig einzuordnen. Die Antworten Liebichs hatten eine 90-prozentige Übereinstimmung mit den Grünen und eine immerhin 83-prozentige Schnittmenge mit der linken Konkurrenz von der WASG ergeben. Mit dem angepeilten Koalitionspartner SPD hatte der Wahl-O-Mat dagegen eine vergleichsweiße geringe Übereinstimmung von gerade einmal 63 Prozent ausgespuckt. Da müsse er sich jetzt wohl ernsthaft mit einer Koalition aus PDS, WASG und Grünen beschäftigen, folgerte der PDS-Politiker mit einem Augenzwinkern.

Auch der Grünen Sibyll Klotz hatte der Wahl-O-Mat eine große Nähe zur Linkspartei attestiert. „Die PDS hat ganz viel bei uns abgeschrieben“, erklärte sie die unerwartete Nähe der beiden Parteien. SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Müller trug Liebichs Ergebnis mit Fassung: „Da besteht offenbar noch großer Diskussionsbedarf mit dem Koalitionspartner“, sagte er. Immerhin konnte er einen „koalitionspolitisch korrekten“ Test vorweisen: 98 Prozent Übereinstimmung mit SPD, 65 Prozent mit PDS, 60 Prozent mit den Grünen.

Leichter tat sich da schon das bürgerliche Lager mit der Interpretation der Ergebnisse. Die Fraktionsvorsitzenden Nicolas Zimmer (CDU) und Martin Lindner (FDP) erreichten – nach der Präferenz für die eigene Partei – die höchste Übereinstimmung mit dem jeweiligen Wunschpartner für eine Koalition im Abgeordnetenhaus. „Mit WASG und PDS haben wir überhaupt nichts zu tun“, stellte Lindner nach Beendigung des Tests mit hörbarer Erleichterung fest.

Auf die Schulter klopfen können sich auch die 12 jugendlichen Wahl-O-Mat-Entwickler. Alle Politiker würdigten den großen Nutzen des Angebots und die Ausgewogenheit der Fragen. Lediglich Lucy Redler von der WASG stellte fest: „Der Wahl-O-Mat kann nur ein erster Schritt sein.“ Was man wirklich brauche, sei ein „Tat-O-Mat“, der die reale Politik jenseits von Wahlprogrammen abbilde. Sebastian Deterding von der Bundeszentrale für politische Bildung mit dem Berliner Wahl-O-Maten beauftragt, will sich auf solche Ideen nicht einlassen. Könnte der Wahl-O-Mat angekündigte und eingelöste Politik vergleichen, „würde keine Partei mehr mit uns zusammenarbeiten“, ist sich Deterding sicher.