MENSCHEN IM CAFÉ
: Hinterm Spiegel

Die Freundin kommt dazu und setzt sich. Viel zu sagen haben die beiden sich nicht

Vor dem Fenster des Cafés in Prenzlauer Berg, in dem ich sitze, steht ein Tisch mit Stühlen in der Sonne. An dem Tisch sitzt ein Mädchen, eine junge Frau, Anfang, Mitte zwanzig vermutlich. Sie checkt ihr iPhone, checkt ihr Gesicht in der Fensterscheibe, hinter der ich sitze und sie beobachte. Aber sie sieht mich nicht. Sie sieht nur sich selbst. Zwei Pickel in ihrem Gesicht haben ihre Aufmerksamkeit erregt. Sie holt einen Taschenspiegel hervor und betrachtet sie genauer. Die Freundin kommt dazu und setzt sich gegenüber. Viel zu sagen haben die beiden sich nicht. Die Freundinnen am Tisch neben mir hinter der Scheibe dafür umso mehr. Sie sind Anfang, Mitte vierzig. Die, die zu spät gekommen ist, trägt eine Trainingshose, hat ein Kind in der Kita und einen Mann namens Hannes. Sie ist Schauspielerin. Sie redet über Depressionen. Ihre eigenen und die ihrer Kollegen. Irgendwer hat sich umgebracht. Vom Hochhaus gestürzt. Wie schrecklich, denke ich.

Die Kellnerin hat mir ein Szegediner Gulasch gebracht und eine Apfelschorle. Ich esse, trinke, höre und sehe. Weil ich den Kopf nicht zum interessanten Gespräch der Vierzigerinnen drehen mag, gucke ich weiter geradeaus aus dem Fenster den Zwanzigerinnen zu, die mich nicht sehen. Beide checken ihre Smartphones. Checken ihre Spiegelungen. Die Münder bewegen sich kaum. Die Kellnerin steht vor ihnen. Vor mir. „Habt ihr schon bestellt?“, lese ich von ihren Lippen. Die Mädchen murmeln Bestellungen in ihre Mantelkrägen, dass die Kellnerin den Kopf schief legen muss, um sie zu verstehen.

Die Frauen am Nebentisch sind bei Wohnungen angekommen. Die mit der Jogginghose ist grad nach Pankow gezogen. Ein Townhouse am Park. Prompt ist meine Sympathie flöten. Die Sonne ist weg. Das Mädchen checkt die Fensterscheibe, sieht plötzlich mich und fährt vor Schreck zusammen. LEA STREISAND