Die Bahn bleibt vernetzt

Auch künftig wird die Bahn die Kontrolle über ihr Schienennetz behalten: entweder als Besitzer oder als Pächter

Auch das kleine Eigentumsmodell ermöglicht der Bahn einen „Börsengang de luxe“

VON STEPHAN KOSCH

Die Bahn soll an die Börse, darüber herrscht Einigkeit in der großen Koalition und in den Regierungsfraktionen im Parlament. Aber soll sie dorthin auch das Schienennetz mitnehmen? Hier endet schon der Konsens. Seit Jahren wird darüber gestritten, ob die aus Steuermitteln finanzierten Gleise auch den kommenden Privatinvestoren gehören oder lieber in staatlicher Hand bleiben sollen.

Gestern wollten Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) während eines Treffens bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich eigentlich auf eine gemeinsame Lösung einigen. Das haben sie nicht geschafft. Klar ist aber, dass die Bahn auch künftig die Kontrolle über das Schienennetz behalten wird, entweder als Besitzer oder als Pächter. Die „strikte Trennung“ von Netz und Betrieb sei vom Tisch, sagte Tiefensee nach dem Treffen – ein Punktgewinn für Bahnchef Mehdorn.

Denn der will auch nach dem Börsengang entscheiden, wer wann auf dem Bahnnetz fährt und in welche Strecken investiert wird oder nicht (siehe unten). Kritiker befürchten, dass so der Wettbewerb auf der Schiene behindert wird und der Steuerzahler weiterhin mit Milliarden ein dann zumindest teilweise privatisiertes Unternehmen subventioniert. Denn die Bundesregierung hat zugesagt, dass auch nach einem Börsengang jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt für Investitionen ins Netz zur Verfügung stünden. Dann könnte man das Netz doch gleich behalten, fanden die Verkehrspolitiker im Bundestag und sprachen sich immer wieder für die „Trennung von Netz und Betrieb“ und gegen Mehdorns „integrierten Konzern“ aus.

Die Bundesregierung hatte deshalb in einem Gutachten unter der Federführung der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton fünf Varianten für den Börsengang durchrechnen lassen. Das „integrierte Modell“ tauchte dort ebenso auf wie die Trennung von Netz und Betrieb, hinzu kamen unterschiedliche Zwischenstufen, in denen der Bund mal mehr, mal weniger für das Management der Trassen zuständig war. Das damalige Ergebnis: Je geringer der Einfluss der Bahn auf das Schienennetz, desto besser für den Wettbewerb und den Kunden. Desto weniger Geld gibt es aber auch für den Bund, beim getrennten Modell nur noch maximal 14 Milliarden Euro. Außerdem koste eine Trennung der Gesellschaften Zeit und Geld – bis zu 1,5 Milliarden Euro.

Beim Treffen im Kanzleramt blieben von den fünf Varianten nur noch zwei übrig. Das integrierte Modell – also Bahn und Schiene wie bisher unter einem Dach gehen gemeinsam an die Börse. Für diese Lösung sind die beiden SPD-Männer Tiefensee und Steinbrück. Der CSU-Minister Glos ist hingegen für das „kleine Eigentumsmodell“. Dabei bleibt das Netz im Eigentum des Bundes, die Deutsche Bahn AG bekommt die Verfügungsgewalt, und kontrolliert wird das Ganze wie beim Strom und Telefon von einem Regulierer. Diese Variante könnte der Unionsfraktion im Bundestag helfen, das Gesicht zu wahren. Denn ihre Verkehrspolitiker haben sich immer wieder – ganz im Sinne des Wettbewerbs – für eine Trennung von Betrieb und Schiene ausgesprochen.

Doch auch das kleine Eigentumsmodell würde am Ende einen „Börsengang de luxe“ für die Deutsche Bahn bedeuten, sagt Winfried Hermann, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Denn im Gespräch sei, dass die Bahn für 30 Jahre das Schienennetz betreiben soll. Das heiße „null Risiko“ für die Bahn, weil das Netz mit all den dann möglicherweise entstandenen Schäden an den Bund zurückfalle. Gleichzeitig könne die Bahn unliebsame Konkurrenz weiter von der Schiene fernhalten. „Kapitalismus wie in China“, nennt Hermann das.

Bis Ende Oktober muss innerhalb der Bundesregierung Klarheit über das bevorzugte Modell für den Börsengang herrschen, denn dann soll der Bundestag darüber abstimmen. Auch die Länder müssen im Bundesrat noch zustimmen. Für eine Trennung von Netz und Betrieb sind Hessen und das Saarland, für den Erhalt der bestehenden Struktur Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Alle anderen Länder haben sich noch nicht festgelegt.