Stimmungshoch macht Grüne aggressiv

PARLAMENT Fraktionschefin Pop nutzt Debatte über Schule und Integration zu Angriff auf Wowereit

„Je besser die Umfragen, desto steiler die Thesen“

STEFFEN ZILLICH (LINKSPARTEI)

Mit einer Brachialattacke auf die rot-rote Koalition und vor allem den Regierenden Bürgermeister haben die Grünen die letzte Parlamentssaison vor der Wahl 2011 eröffnet. Fraktionschefin Ramona Pop warf dem Regierungschef am Donnerstag im Abgeordnetenhaus vor, sich kaum um die Themen Integration und Bildung zu kümmern. Zudem müsse er sich dafür entschuldigen, Exsenator Thilo Sarrazin zum Bundesbänker gemacht zu haben. „Je besser die Umfragen, desto steiler die Thesen“, kommentierte diesen Auftritt der Linkspartei-Abgeordnete Steffen Zillich – neue Werte sahen die Grünen am Donnerstag deutlicher als bisher vor SPD und CDU (siehe Text oben).

Das von der rot-roten Koalition angestrebte Integrationsgesetz ist für Pop wenig wert, weil nach ihrer Lesart in dem Gesetz Bildung als zentraler Weg zu Integration nicht vorkommt. Gegen Wowereit persönlich kramte Pop eine fast vier Jahre zurückliegende Äußerung des Regierungschefs hervor: „Zu Integrations- und Bildungspolitik ist Ihnen bislang nur eingefallen, dass Sie Ihre Kinder nicht auf Kreuzberger Schulen schicken würden.“

Die anderen Fraktionen, egal ob in der Regierung oder in der Opposition, waren merklich überrascht, von Pop fast nichts zur Umsetzung der Schulstrukturreform mit der neuen Sekundarschule zu hören. Denn darum hätte es nach ihrem Verständnis in der zentralen Debatte der Sitzung vorrangig gehen sollen.

Die SPD konterte Pops Vorwürfe mit einer Aufzählung von Beschlüssen zu besserer Integration: Abschaffung der Hauptschule, Kita-Gebührenfreiheit, Ethik als Pflichtfach, Sprachtests. Mit Blick auf die Schulreform wies SPD-Bildungsexpertin Felicitas Tesch auch Kritik an deren Umsetzung zurück: Das von der Opposition prognostizierte Chaos sei ausgeblieben. Nicht bestreiten mochte sie, dass stellenweise Lehrer fehlen, obwohl über ganz Berlin gerechnet alle Stellen besetzt sein sollen. „Es gibt natürlich Probleme, aber das sind Einzelfälle“, sagte sie. Ihr Kollege Zillich von der Linkspartei räumte sogar „erhebliche Probleme“ an einzelnen Schulen ein.

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) führte die nicht passgenaue Verteilung der Lehrer darauf zurück, dass später als sonst klar war, wie viele Schüler wo angemeldet sind. Von der elektronischen Schülerdatei verspricht sich Zöllner, dass das künftig anders wird.

Die FDP-Abgeordnete Mieke Senftleben forderte weitergehende Konsequenzen: Um Fachlehrermangel schnell zu begegnen, sollte man Quereinsteiger einstellen oder auf pensionierte Lehrer zurückgreifen. Zudem sollten die Schulen selbst für ihr Personalmanagement zuständig sein – „die können das besser als jede Verwaltung“. STEFAN ALBERTI