Argentinien reaktiviert seine Meiler

Mit neuen Atomkraftwerken will die Regierung die Position des Landes gegenüber Brasilien stärken

PORTO ALEGRE taz ■ Argentiniens Regierung setzt auf Atomenergie. In dieser Woche stellte Planungsminister Julio De Vido ein Programm zur Reaktivierung der Technologie vor. Aus „pragmatischen und strategischen Gründen“ werde „das ganze wissenschaftliche, technologische und industrielle Spektrum reaktiviert“ – einschließlich der Urananreicherung.

Der Bau des Siemens-Meilers Atucha 2, der während der Militärdiktatur 1980 begonnen und 1995 abgebrochen worden war, soll bis 2010 fertiggestellt werden. Dadurch dürfte sich der Anteil der Kernkraft an der argentinischen Stromversorgung von 8 auf 12 Prozent erhöhen. Federführend ist der kanadische Staatsbetrieb Atomic Energy of Canada Limited (AECL), die Bauarbeiten übernimmt die spanische Dycasa. Ein Versuch, mit der Siemens-Tochter Areva (früher: Framatome) ins Geschäft zu kommen, scheiterte. Zudem will die Regierung die Laufzeit des AKWs Embalse bis 2043 verlängern und den Bau eines modernen Meilers prüfen. In den kommenden acht Jahren sollen 3,5 Milliarden Dollar in das Atomprogramm fließen.

Juan Carlos Villalonga von Greenpeace Argentinien kritisiert die Pläne der Regierung als technische und wirtschaftliche Fehlentscheidung: „Dahinter steckt ein Wachstumskonzept wie in den Sechzigerjahren“, sagte er der taz. Gas-und-Dampf-Kraftwerke seien billiger und eher geeignet, der von der Regierung beschworenen Stromkrise zu kurzfristig zu begegnen. „Ausschlaggebend war wohl die symbolische Konnotation der Atomkraft“, meint Villalonga, „man will die Muskeln spielen lassen und gegenüber Brasilien nicht ins Hintertreffen geraten.“

Der große Nachbar hat bereits im Mai mit der Urananreicherung begonnen und sich damit die militärische Option offengehalten. In den Achtzigerjahren ließen die damals regierenden Militärs in beiden Ländern an der Atombombe basteln. Nach der Rückkehr zur Demokratie unterzeichneten Brasilien wie Argentinien auf Druck der USA den Atomwaffensperrvertrag. Darío Jinchuk von der argentinischen Atomkommission sagt zu dem Misstrauen, das Ländern, die bei der Urananreicherung „nicht völlig transparent sind“, entgegenschlägt: „Wir sind nicht verpflichtet, die Technologie offenzulegen, sondern nur die Uranmenge und den Verwendungszweck.“ GERHARD DILGER