JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN
: Freiheit macht Angst

Herr Schmitt vom Staatsschutz muss zurück in den Kindergarten, um zu lernen, dass es auch Freiheit bedeuten kann, einfach mal auf den Blick in linke Schlafzimmer zu verzichten.

Nicht, dass ich was gegen Angst hätte. Sie schützt mich ja oft genug davor, völligen Quatsch zu machen, einfach nur, weil er möglich wäre. Etwa das tiefrote Leuchten der Herdplatte mal abzulecken, fünfzig frische Cheeseburger zu verschlingen oder sich die Anushärchen mit Wachs abreißen zu lassen.

Angst kann aber auch einengen. Besonders, wenn jemand anderes sich die Freiheit nimmt, seine Neurosen auszuleben. Herr Schmitt vom Staatsschutz etwa. Ich sehe ihn vor mir, umringt von Bildschirmen, die ihm Bilder „linksradikaler“ Schlafzimmer zeigen. Tagein, tagaus legt er die Hand auf die Brust und schmettert das Lied „Die Freiheit, die ich meine“ von Max von Schenkendorf heraus: „Wo sich Männer finden / Die für Ehr und Recht / Mutig sich verbinden / Weilt ein frei Geschlecht.“ Pfui, diese Freiheit macht mir Angst. Fast will ich mir doch einen Vokuhila wachsen lassen und „I’ve been looking for freedom / Still it can’t be found“ dagegen singen, bis uns allen das Kotzen kommt.

Mensch, Herr Schmitt, mir fällt es auch oft schwer zu verzichten. Festzustellen, dass es da neben der Freiheit von auch noch eine Freiheit zu gibt. Meine Generation hat vor allem gelernt, Optionen zu haben und dass Verzichten Schwäche ist. Wir müssen alle noch einmal in den Kindergarten, die vom Staatsschutz auch. Lernt mal, auf Daten zu verzichten! Nur weil ihr so tolle neue Spielzeuge habt, müsst ihr sie doch nicht gleich anwenden.

Denn offensichtlich sind es immer wieder die NeurotikerInnen, die Angstgesteuerten, die gesellschaftliche Maßstäbe setzen. Warum, hab ich mich immer wieder gefragt, sind selbst die kleinsten Cafés hier dreimal so sauber wie meine frisch geputzte eigene Küche? Jeder Fussel, jeder Fleck wird gleich weg gemacht. 24/7. Warum? Weil es im Zweifel niemanden stört. Weder die, denen Schmutz egal ist, noch diejenigen, die einen Lappen in die Hand nehmen, bevor sie eine Türklinke anfassen. Der Maßstab auf dem freien Markt der Ordnungsämter wird also von der Angststörung der Wenigen diktiert.

Und am Ende passiert dann auch noch das Gleiche wie bei den PsychologInnen. Umso mehr es nämlich von ihnen in einer Stadt gibt, um so mehr gehen hin. Aber vor allem: Der Bedarf steigt. Großstädte wie Berlin werden also regelrecht „psychiatrisiert“. Okay, komplexe Sache, aber vielleicht dennoch übertragbar? Für Neurotiker und Staatsschutz heißt das: Hände weg von den Kameras, sonst wachsen die TerroristInnen!

Aber Argumente ziehen selten. Verzicht auf Daten lernen. Hightech-Spielzeuge nicht missbrauchen. An die Folgen der Angstmacherei denken. Die effektivste Erziehungsmethode gegenüber Herrn Schmitt ist emotionale Erpressung: Lass doch mal den Mist – wenn ihr euch entscheidet, Staatsschützer zu werden, seid gewiss, dass ihr hässlich seid. Und nur doofe Freunde findet.

Der Autor ist Politikstudent, Kinderclown und Friedensaktivist Foto: Sylphide Noire