Trauerspiel um das Schleswiger Theater

VERHANDLUNGEN Keine Mehrheit für Neubau: Nach der Entscheidung des Schleswiger Stadtrats kämpft die Landespolitik um die Deutungshoheit . Die Landestheater-Beschäftigten fürchten um ihre Zukunft

„Bevor ich weitere Schulden akzeptiere, sage ich lieber Nein“

HOLGER LEY, CDU

Singend zogen sie ins Schleswiger Rathaus ein: SchauspielerInnen, SängerInnen und viele, die hinter den Bühnen des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters arbeiten. Mit der „Ode an die Freude“ wollten sie die Mitglieder der Ratsversammlung günstig stimmen. Doch tatsächlich standen sich die Fraktionen unversöhnlich gegenüber. Nach einer Debatte, die sich bis weit in den Donnerstagabend hineinzog, endete die Abstimmung über den Bau eines neuen Bühnenhauses mit einem Patt.

Da der mit dem Land ausgehandelte Vorschlag keine Mehrheit erhielt, zog Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW) ihre Finanzierungszusage zurück. „Unsere Verantwortung gilt jetzt dem Landestheater“, sagte sie. Denn ohne ein Haus in Schleswig ist das gesamte Konzept in Gefahr: Das Landestheater bespielt mit einem Ensemble drei eigene Bühnen und bedient mit regelmäßigen Gastspielen weitere Orte im Norden Schleswig-Holsteins. Nach der Ratsentscheidung setzte sich der Streit auf der Landesebene fort: SPD und SSW werfen vor allem der CDU eine „Verhinderungstaktik“ vor.

Auch im Stadtrat kamen die größten Bedenken von der CDU. Deren Fraktionschef Holger Ley erklärte: „Bevor ich weitere Schulden akzeptiere, sage ich lieber Nein, auch auf die Gefahr hin, dass wir dann kein Theater mehr haben.“ Mit der CDU stimmten die Vertreter der FDP, zweier Freier Wählergemeinschaften und die Grünen gegen den Vorschlag, ein neues Bühnenhaus zu errichten. Die Grüne Dorothee Tams sprach sich wie die anderen dafür aus, den bisherigen Theaterbau zu sanieren.

Doch ob es lohnt, das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert zu retten, ist umstritten. Vor zwei Jahren wurde es wegen Einsturzgefahr geschlossen. Sachverständige erklärten, die Sanierung sei möglich, aber teuer. Als Alternative kam der Standort am Hesterberg ins Gespräch. Laut Ministerin Spoorendonk sei die Idee, das Theater dorthin umzusiedeln, von Intendant Peter Grisebach gekommen: „Er sah darin eine spannende Alternative“, sagte die Politikerin, die selbst aus der Nähe von Schleswig stammt.

Die Landtagsopposition glaubt etwas anderes: Der 13-Millionen-Neubau auf dem Hesterberg wäre ein „Spoorendonk-Gedächtnistheater“, so CDU-Fraktionschef Johannes Callsen. Die Ministerin solle „aus dem Schmollwinkel kommen“ und das Geld in die Sanierung des alten Gebäudes stecken. Denn die ist angeblich weit günstiger, als bisherige Gutachten vermuten ließen: Ein örtlicher Bau-Ingenieur erklärte nach einer Begehung des Hauses, es sei für einige Hunderttausend Euro wieder „bespielbar“ zu machen.

Die Mitglieder von SPD und SSW in der Schleswiger Ratsversammlung setzten dagegen, dass zahlreiche Experten es anders bewertet hätten. Sie warfen der CDU vor, Vereinbarungen in letzter Minute zu brechen. Der parteilose Bürgermeister Arthur Christiansen, der den Neubau-Plan mit Land und Kreis verhandelt hatte, warnte: „Es gibt keinen Plan B und keine Hilfen für eine Sanierung.“ Schleswig verliere das Theater, müsse aber dennoch Millionen zahlen, da es vertraglich verpflichtet ist, eine Spielstätte zu stellen.

„Es drängt sich der Eindruck auf, dass es der CDU lediglich darum geht, dem Landestheater zu schaden“, sagte Lars Harms (SSW). Dies habe mit Mittel-Kürzungen in der Zeit der schwarz-gelben Regierung begonnen. Die Betriebsratsvorsitzende des Landestheaters, Erika Krüger, sagte enttäuscht: „Eine Farce. Dabei geht es um 360 Arbeitsplätze.“

ESTHER GEISSLINGER