Tschechien weiter unregierbar

Nach langem Hin und Her ist der konservative Parteichef Kalousek zurücktreten, weil er sich eher von den Kommunisten unterstützen lassen wollte als gar nicht zu regieren

PRAG taz ■ Tschechiens Suche nach einer neuen Regierung wird knapp drei Monate nach den Wahlen immer verzwickter. Am Freitag hat sie ihr erstes politisches Opfer gefunden: Miroslav Kalousek musste als Vorsitzender der Christdemokraten (KDU-ČSL) zurücktreten. Die Parteibasis hatte gegen Kalouseks Plan revoltiert, zusammen mit den Sozialdemokraten (CSSD) eine Minderheitsregierung zu bilden, deren Überleben von den Kommunisten (KSČM) abhängig gewesen wäre. Denn das kommt den meisten Christdemokraten einem Pakt mit dem Teufel gleich. „Damit verleugnen wir alle anständigen Prinzipien, auf die sich die Christdemokratie stützt. Die Kommunisten haben den Menschen immer ihre Freiheit weggenommen, und wir können nicht zulassen, dass sich dies wiederholt,“ sagte der stellvertretende Vorsitzende der Brünner Verbandes der KDU-ČSL, Daniel Rychnovsky.

Kalouseks Bereitschaft, an einer von den Kommunisten tolerierten Regierung teilzuhaben, kam überraschend – für viele war es ein Schock. Denn seit seiner Wahl zum obersten Christdemokraten im Jahre 2003 hat sich der 45-Jährige immer wieder als eifriger Antikommunist in Szene gesetzt. „Die Christdemokraten werden an keiner Koalition teilhaben, die in irgendeiner Weise von den Kommunisten abhängt,“ betete Kalousek unermüdlich vor. Unter Kalouseks Führung hatte sich die KDU-ČSL in der vergangenen Legislaturperiode vom damaligen sozialdemokratischen Koalitionspartner abgewandt, weil dieser unter dem Vorsitz von Jiří Paroubek zu sehr mit der KSČM klüngelte. Die Christdemokraten näherten sich immer mehr der oppositionellen Bürgerpartei (ODS) an. Nach dem, zumindest prozentualen, Wahlsieg der ODS im Juni schien klar, dass beide Parteien zusammen eine Koalition bilden würden. Nur dass das Wahlergebnis selbst eine Dreierkoalition nicht zuließ: Zusammen mit den Grünen kamen ODS und Christdemokraten auf genau 100 Stimmen und waren somit im 200-köpfigen Parlament nicht mehrheitsfähig.

Nach monatelangem Hin- und Her machte Kalousek Ende vergangener Woche die Kehrtwendung hin zu den Sozialdemokraten und ihrem Vorsitzenden Jiří Paroubek. Hin zu den Kommunisten und der politischen Unglaubwürdigkeit. „Ich habe ein großes politisches Zugeständnis gemacht. Das freut mich in keiner Weise“, sagte Kalousek. Die Angst ums Überleben seiner Partei hätte ihn zu diesem Schritt bewogen, erklärte er. Eine Absprache der großen Parteien ODS und ČSSD, die Mitte vergangener Woche greifbar nahe schien, hätte womöglich eine Änderung des Wahlsystems zu Ungunsten kleiner Parteien wie der KDU-CSL nach sich gezogen. Das wollte Kalousek durch den Pakt mit der ČSSD verhindern.

Kalouseks Interimsnachfolger Jan Kasal hat die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten abgebrochen und gleichzeitig angekündigt, eine Minderheitsregierung der ODS nicht zu unterstützen.

Die Bürgerdemokraten, deren Vorsitzender Mirek Topolanek von Präsident Václav Klaus mit der Regierungsbildung beauftragt ist, wollen versuchen, eine Minderheitsregierung zu bilden, die das Land zu vorzeitigen Wahlen im kommenden Jahr führen würde. Umfragen zufolge würde die ODS diese Wahlen bequem gewinnen.

Sollte Topolaneks Minderheitsregierung nicht das Vertrauen des Parlaments erhalten, liegt der Ball bei Präsident Václav Klaus. Nach einem Scheitern Topolaneks müsste der, so die Verfassung, erneut jemanden mit der Regierungsbildung beauftragen. Die Verfassung schreibt aber keinen Zeitraum vor, in dem das geschehen muss. Das tschechische Regierungspuzzle kann sich also noch hinziehen.