Der Sympathie für Terroristen verdächtig

ROJ-TV Der dänisch-kurdische Sender soll verboten werden – wegen angeblicher Nähe zur PKK

Roj ist kurdisch und bedeutet Morgendämmerung. Für ROJ-TV sieht es derzeit eher finster aus. Die Regierung in Kopenhagen beschloss letzte Woche, gegen den kurdischen Fernsehsender, der seit 2004 in Dänemark stationiert ist und europaweit ausgestrahlt wird, Anklage wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation zu erheben.

Das Justizministerium begründete diesen Schritt in einer Presseerklärung damit, der Sender habe „wiederholt TV-Programme ausgestrahlt, die Interviews mit PKK-Sympathisanten oder -Führern enthielten“. Zeitgleich mit der Anklageerhebung wurde die Kopenhagener Zentrale durchsucht und mehrere Computer und anderes Material beschlagnahmt.

ROJ-TV ist das erste dänische Medienunternehmen, das nach den aufgrund von 9/11 erlassenen speziellen Terrorgesetzen angeklagt wird. Auffallend ist, dass sich die Regierung fünf Jahre lang Zeit ließ, bevor sie sich entschied, gegen den Sender aktiv zu werden. Formal hatte die türkische Botschaft schon 2005 eine entsprechende Anzeige erstattet. Ankara hatte sich seitdem regelmäßig darüber beschwert, dass ROJ-TV weiter ungestört aus Dänemark agieren könne. Zumindest eine diplomatische Demarche der US-Regierung wurde öffentlich, in der Washington „dringend nahelegt“, die Sendelizenz zu entziehen.

„Wir glauben nicht, dass solche Aktivitäten in Dänemark erlaubt sein sollten“, heißt es in dieser Note aus dem Jahre 2005. Washington weist den Nato-Partner darauf hin, dass ROJ-TV nur aufgrund der liberalen Mediengesetze Dänemark gewählt habe, nachdem sich Großbritannien und Frankreich geweigert hatten, eine derartige Station auf ihrem Territorium zuzulassen.

Dänische Medien spekulieren, dass Kopenhagen mit dem jetzigen Schritt, der mit gleicher Begründung schon vor Jahren hätte erfolgen können, ein politisches Versprechen einlöst. Als im Frühjahr vergangenen Jahres der seinerzeitige dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen für das Amt des Nato-Generalsekretärs kandidierte, hatte die Türkei eine Zustimmung ganz offen von einem Vorgehen Kopenhagens gegen ROJ-TV abhängig gemacht. Über eine mögliche Gegenleistung, die dann letztendlich dazu führte, dass Ankara auf ein zunächst angekündigtes Veto gegen Rasmussen verzichtete, war schon damals spekuliert worden. Es sollte wohl erst mal eine passende Zeit verstreichen, mutmaßt die Kopenhagener Tageszeitung Information. Das jetzige Verbot erfolgte an dem Tag, an dem Rasmussen Dänemark seinen ersten offiziellen Besuch als Nato-Generalsekretär abstattete.

Nicht nur die dänische Regierung hatte in der Vergangenheit keine Veranlassung gesehen, gegen ROJ-TV vorzugehen. Dreimal, zuletzt 2008, lehnte auch die zuständige Fernsehlizenzbehörde Anträge für ein Sendeverbot ab. Die Begründung: Der Sender verbreite keine einseitige Propaganda. Dessen Nachrichten- und Debattenprogramme könnten auch im öffentlich-rechtlichen dänischen Fernsehen gesendet werden, heißt es in einem Beschluss

Während der türkische Dänemark-Botschafter Berki Dibek seine „Zufriedenheit“ zum Ausdruck brachte, dass Dänemark nun „seine Verpflichtungen im internationalen Antiterrorkampf erfüllt“, gab es seitens ROJ-TV zunächst keinen offiziellen Kommentar. Zwei dänisch-kurdische Organisationen und die rot-grüne Parlamentspartei „Einheitsliste“ sprachen von einer Verletzung der Meinungsfreiheit. Über das weitere Schicksal des Senders entscheidet nun die dänische Justiz. Beim Europäischen Gerichtshof ist derzeit ein Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble im Juni 2008 gegen ROJ-TV erlassenes Sendeverbots für Deutschland anhängig.

REINHARD WOLFF, STOCKHOLM